Bündnis startet Kampagne anlässlich des Girls‘ Day und der Angebote der Bundeswehr
Frankfurt a. M. / Osnabrück / Stuttgart / Bonn, 27.03.2019 – Anlässlich des Girls‘ Day hat ein neues Bündnis mehrerer Organisationen heute die Werbung der Streitkräfte bei Schülerinnen für den Beruf der Soldatin und die Rekrutierung Minderjähriger in Deutschland scharf kritisiert. Unter Überschriften wie »Ein Tag als Soldatin« oder »Attraktive Uniformen« werben über 100 Einrichtungen der Bundeswehr für mehr als 3.600 Angebote zum bundesweiten Tag der Berufsorientierung für Mädchen ab der fünften Klasse. 2018 hat die Bundeswehr 1679 minderjährige Soldaten eingestellt, darunter 313 Mädchen. Dagegen protestiert die heute gestartete Kampagne »Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr«, in der sich 13 Friedens-, Kinderrechts-, Bildungs- und kirchliche Organisationen zusammengeschlossen haben.
»Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere. Das muss bei der Berufsorientierung jun-ger Mädchen rüberkommen«, unterstrich Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für Schule. »Bereits 15-jährige Mädchen werden für einen Beruf umworben, der viele Risiken mit sich bringt von Traumatisierungen bis hin zum Tod«, sagte Hoffmann. Mögliche persönliche Folgen würden bei diesen Angeboten ebenso verharmlost wie die verheerenden Auswirkungen von Kriegen für die Zivilbevölkerung. »Diese Desinformation junger Menschen muss beendet werden. Das Vorgehen lehnen wir aus politischen, pädagogischen und kinderrechtlichen Gründen ab«, betonte die GEW-Schulexpertin.
»Jedes Jahr kommt es bei der Bundeswehr zu schweren Rechtsverstößen und Kinderrechtsverletzungen«, sagte Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte beim Kinderhilfswerk terre des hommes. »So waren in den Jahren 2017 und 2018 minderjährige oder gerade volljährig gewordene Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr von sexualisierten Ritualen, sexueller Belästigung und Vergewal-tigung betroffen. Bei Bundeswehrübungen kam es zudem zu schweren Verletzungen und Todesfällen von Soldatinnen und Soldaten. Das zeigt: Eine Armee ist kein Platz für Kinder und Jugendiche! Wir fordern die Bundesregierung auf, die Rekrutierung von minderjährigen Soldatinnen und Soldaten sofort einzustellen, die militärische Werbung bei Schülerinnen und Schülern zu beenden und die Kinderrechte zu schützen und einzuhalten.« (Bundeswehr an Schulen)
Auch die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) monierte die Praxis der Rekrutierung Minderjähriger. »Es ist skandalös, dass die deutsche Armee seit 2011 11.500 Minderjährige an der Waffe ausgebildet hat«, stellte Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK, fest. Etwa ein Fünftel der jungen Menschen seien in den letzten beiden Jahren Mädchen gewesen. »Die zunehmende Zahl Minderjähriger beim Militär ist Folge der massiven Werbung in Schulen, Arbeitsagenturen, auf Messen, im Internet und im Rahmen von Angeboten der Berufsorientierung wie dem Girls‘ Day. Dieser Militarisierung öffentlicher Räume wollen wir Einhalt gebieten«, so Glaßer.
»Die Praxis der Rekrutierung Minderjähriger ist unnötig und nicht zeitgemäß«, sagte Philipp Ingen-leuf für das Netzwerk Friedenskooperative, das ebenfalls zu den Mitgründern des Bündnisses gehört. Deutschland gehöre zu einer kleinen Minderheit von UN-Staaten, die Minderjährige immer noch für das Militär rekrutieren. »Damit steht die Bundesregierung in Widerspruch zu ihrem Schutzauftrag gegenüber Minderjährigen und macht sich bei der internationalen Ächtung des Einsatzes von Kindersoldaten unglaubwürdig«, hob Ingenleuf hervor. Auch Deutschland müsse sich bei der Rekrutierung von Soldaten endlich an den internationalen »18-Jahres-Standard« halten.