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Gefangen zwischen den Grenzen: »Die Hilfe kam, als ich fast aufgegeben hatte«

Eingesunken in einem Sumpf an der polnisch-belarussischen Grenze – so fanden Mitarbeitende unseres Projektes Sainab. Die damals sechzehnjährige Geflüchtete aus Somalia berichtet im Interview von ihrer gefährlichen Flucht nach Europa, wieso die Hilfe unserer Partnerorganisation Egala im Grenzgebiet so wichtig ist und was die EU-Politik ändern sollte. 

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Wie ging es dir, als die Helfer*innen dich im Grenzgebiet gefunden haben? 

Als sie kamen, war ich völlig erschöpft und hatte fast aufgegeben. Ich hatte eine Nacht in einem Sumpfgebiet im Wald verbringen müssen und harrte auf einer kleinen Insel aus, um nicht einzusinken. Ich hatte kaum noch Kraft und viele Verletzungen an den Beinen. Es war eine unbeschreibliche Erleichterung, als sie endlich da waren und mich in den Arm genommen haben. Sie gaben mir alles, was ich brauchte – frische Kleidung, Essen und Medizin. Ohne sie hätte ich es wohl nicht geschafft. 

Wie kam es, dass du in das Grenzgebiet geraten bist?  

Ich musste Somalia verlassen, weil ich dort nicht sicher war. Die Bedrohungen durch Zwangsheirat, Gewalt oder Genitalverstümmelung waren ständig da, und terroristische Gruppen wie Al-Shabaab machen das Leben unmöglich. Ich bin im März 2023 aufgebrochen, nach Russland geflogen und dann von dort nach Belarus gebracht worden. Von Belarus wurden wir direkt zur Grenze gebracht – und das war der Beginn eines endlosen, gefährlichen Wartens. 

Warum war es so gefährlich? 

Wir haben uns im Wald versteckt und versucht, die Grenze zu überqueren. Es gibt dort einen großen Fluss, und der polnische Grenzzaun ist sehr hoch und voller Stacheldraht. Viele Menschen waren seit Monaten dort, ohne Essen oder Wasser, oft verletzt. Manche wurden von Soldaten zurückgeschickt, geschlagen und ausgeraubt. Das passiert dort jeden Tag, und es gibt keine Rücksicht, auch nicht auf Kinder oder Familien. 

Was bedeutet es, dass keine Rücksicht auf Kinder und Jugendliche genommen wird? 

Kinder brauchen ja Schutz, sie brauchen eine Art Zuhause und regelmäßiges Essen. Am härtesten ist die Gewalt, die sie erleben: Pushbacks, Schläge, die Gewalt, die sie miterleben. Der Hunger, der Durst, die Kälte. Seit ich Somalia verlassen habe, hatte ich nie das Gefühl, sicher zu sein. Es gibt nur einen Weg, und der führt immer weiter – man kann nicht zurück. Das Gefühl, allein zu sein, ist das Schwerste, und ich weiß, dass viele Kinder dort das Gleiche fühlen. 

Wie ging deine Reise weiter, nachdem die Helferinnen dich gefunden haben? 

Von Polen bin ich schließlich nach Deutschland gekommen, wo ich heute lebe. In Polen haben mich die Soldaten wie jemanden behandelt, der keine Rechte hat. Da wusste ich: Ich muss weiter. 

Was wünschst du dir für die Zukunft? 

Mein größter Wunsch ist, dass ich meine Familie wiedersehe – meinen Vater, meine Mutter, meine jüngeren Geschwister. Und ich möchte Ärztin werden oder Menschenrechtsaktivistin, um anderen zu helfen, wie mir geholfen wurde. Es ist wichtig, dass Menschen erfahren, was an den Grenzen wirklich passiert. 

Was müsste sich in der EU ändern, um jungen Menschen wie dir zu helfen? Was würdest du den EU-Politiker*innen gerne sagen? 

Ich würde den europäischen Politiker*innen sagen: Seid menschlich! Seht uns als Menschen. Es muss mehr Menschlichkeit und Respekt für die Menschenrechte geben, besonders für Kinder. 

Und was möchtest du den Menschen sagen, die helfen? 

Ohne die Helfer*innen im Wald wäre ich heute nicht hier. Sie riskieren ihr Leben, um uns zu retten, und ich bin ihnen so dankbar. Gerade für Kinder und Jugendliche ist das lebenswichtig, weil viele wie ich ohne Begleitung sind.

9.4.25