Lohnsklavinnen in der Textilindustrie
Vor gut einem Jahr berichtete das ZDF in einer Reportage über Sklavenarbeit in der indischen Textilindustrie: das Sumangali-System. Junge Frauen werden hier drei Jahre systematisch ausgebeutet und erhalten ihren Lohn erst nach dieser Zeit. Das Geld soll als Brautpreis (so die Bedeutung des Begriffs Sumangali) genutzt werden. Faktisch werden viele Mädchen um ihren Lohn betrogen und schuften unter katastrophalen Bedingungen: Eingesperrt in einem eingezäunten Firmengelände, zusammengepfercht in Hütten, Arbeitstage, die zwölf Stunden und mehr dauern, und so gut wie kein Arbeitsschutz.
Lebensrettende Operation
Lakshmi, im ZDF-Film Kousalya genannt, ist eine dieser jungen Frauen in der indischen Textilindustrie. Sie musste den Sumangali-Vertrag vorzeitig aufkündigen, weil sie schwer herzkrank wurde und die Arbeit in der Spinnerei nicht mehr aushielt. Eine Operation konnte sich die 22jährige nicht leisten – ohne OP hätte ihr in weniger als einem Jahr der Tod gedroht. Das Risiko von Arbeitsunfällen und Krankheiten tragen die Mädchen selber, wer nicht weiterarbeiten kann, muss ohne eine Rupie zurück nach Hause. Krankenversicherungen gibt es nicht.
Lakshmis Schicksal hat viele deutsche Zuschauer bewegt, die bei terre des hommes ihre Hilfe anboten. Ein anonymer Spender hat spontan die Kosten der notwendigen Herz-Operation von Lakshmi übernommen. Am 18. Mai wurde Lakshmi in der Madras Medical Mission in Chennai operiert.
Neue Perspektiven für Lakshmi
terre des hommes-Kinderrechtsexpertin Barbara Küppers besuchte Lakshmi einige Monate nach der lebensrettenden Herz-Operation. Lakshmi hat die OP gut überstanden, wird aber nicht mehr in der Lage sein, in einer Fabrik zu arbeiten. terre des hommes hat Lakshmi und ihrer Mutter eine Kuh und ein Kälbchen gekauft. Lakshmi verkauft die Milch auf dem Markt und sichert sich und ihrer Mutter ein monatliches Einkommen von 60 Euro. In der Fabrik gibt es einen Monatslohn von knapp 52 Euro.
Es gibt durchaus kleinere Erfolge bei der Bekämpfung des Sumangali-Systems, erklärt Barbara Küppers: Eastman, einer der größten Zulieferer in der Region, schließt keine Sumangali-Verträge mehr ab und stellt nur noch Frauen über 18 Jahren an.
Noch kein Durchbruch
Doch von einer Entwarnung kann keine Rede sein: Noch immer schuften über 120.000 Mädchen und junge Frauen unter dem Sumangali-System, inzwischen nutzen auch andere Branchen diese moderne Form der Sklaverei, so etwa die Landwirtschaft. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Politik in Tamil Nadu bisher untätig zusieht. Große internationale Handelsunternehmen haben sich zwar zu einer internationalen Arbeitsgruppe gegen Sumangali zusammen geschlossen – bislang aber keine nennenswerten Ergebnisse erzielt.
terre des hommes hat inzwischen mehr als 2.000 Mädchen aus dem Sumangali-System befreit und setzt mit Projekten zur Aus- und Weiterbildung auf eine bessere Qualifizierung der jungen Frauen. Projektpartner helfen außerdem, bei Rechtsstreitigkeiten um ausbleibende Löhne und machen Druck gegenüber Politik und Wirtschaft.
8.1.2014