Neue Zuversicht für Schulkinder in Aleppo
Ein Jahr nach dem Erdbeben: Im Unterricht bekommen Schüler*innen ein Stück Normalität zurück
»Ich möchte gar nicht, dass die Schulen irgendwann wieder schließen. Ich möchte weiter zur Schule gehen, damit ich Apothekerin werden kann, wenn ich groß bin.«
Helene (10 Jahre) lebt in Aleppo im Norden Syriens. Als im Februar 2023 das Erdbeben kam, veränderte sich auch ihr Leben schlagartig: Alle Schulgebäude in der Umgebung wurden zerstört oder mussten schließen. Helenes Schule wurde zu einer Notunterkunft für diejenigen, die alles verloren hatten. Auch ihr Elternhaus wurde so schwer beschädigt, dass die Familie es aufgeben musste.
Viele Familien kämpfen noch immer mit den Folgen des Bebens
In Aleppo zerstörte das Beben fast jedes dritte Gebäude. Tausende Familien wurden obdachlos. Für die Menschen - viele von ihnen Binnenflüchtlinge, die in der Stadt Schutz vor dem noch immer tobenden Bürgerkrieg suchen - ging es um das Nötigste: Lebensmittel, Medikamente, Decken und warme Kleidung. Auch terre des hommes versorgte allein in Aleppo neun Sammelunterkünfte mit Hilfsgütern. Bis heute kämpfen Tausende von Familien mit den Folgen des Erdbebens. Mit der extremen Kälte im Winter, mit mangelnder Grundversorgung. Und mit den psychischen Traumata.
Sobald der Wiederaufbau begann, war für die Menschenrechtsorganisation WeWorld in Aleppo klar: Der Unterricht muss weitergehen, so schnell wie möglich. Für die Kinder ist gerade jetzt wichtig, dass sie in den Schulen zusätzlichen Halt finden und etwas dringend benötigte Routine bekommen. Gemeinsam mit zwei Partnern - terre des hommes Deutschland und Child Fund Alliance - baute WeWorld ein Projekt für den Neustart auf: Nach und nach wurden drei Gebäude wieder instandgesetzt: Reparaturen wurden durchgeführt, Wasser- und Stromversorgung wiederhergestellt, neue Sicherheitskonzepte eingeführt. Auch mehr als 100 Schreibtische hat WeWorld aufgetrieben, dazu Stifte und Hefte für die Kinder.
WeWorld hilft Kindern, die schrecklichen Erinnerungen zu verarbeiten
Seit April 2023 läuft der Unterricht wieder. Und WeWorld kann sich auf eine weitere Form der Hilfe konzentrieren: Psychosoziale Unterstützung für Kinder, die die traumatischen Erfahrungen des Bebens und seiner Folgen noch immer belasten. Die Organisation geht dazu mit Veranstaltungen direkt in die Schulen, bietet Sommerclubs mit Sport- und Kunstworkshops an, verteilt Infomaterial und leitet Fortbildungen für die Lehrer*innen. Mit der Zeit können die Kinder so die schrecklichen Erlebnisse hinter sich lassen, neues Vertrauen in sich und ihre Umgebung gewinnen und mit neuer Zuversicht nach vorn schauen.
Auch Helene konnten die Sommerclubs helfen. In all dem Chaos nach dem Erdbeben hatte sie Lernprobleme entwickelt. Lesen, Schreiben und Rechnen bereiteten ihr Schwierigkeiten. Doch im Sommerclub änderte sich das: Mit der Art und Weise, wie die Lehrer*innen neue Spielzeuge und Spiele in den Unterricht einbrachten und so Lernen und Spaß kombinierten, kam sie besser zurecht. Als die Schule nach den Ferien wieder begann, wurden nicht nur ihre Noten besser - auch ihr Vertrauen in ihre eigenen Stärken war zurück.
Interview mit WeWorld-Bildungsreferent Makki Attrash
30.01.2024