»Diesen Kindern und Familien helfen zu können, macht mich stolz.«
Interview mit Makki Attrash, Bildungsreferent WeWorld
Vor einem Jahr wurden die Türkei und Syrien von einem verheerenden Erdbeben erschüttert. Kannst du diesen Tag in Worte fassen?
Meine Familie und ich schliefen friedlich, als das Erdbeben uns plötzlich wachrüttelte. Die Angst war in diesem Moment überwältigend. Der Boden bebte. Die Luft war erfüllt von Schreien und Weinen. Als das Beben endlich aufhörte, schnappten wir unsere Kinder und eilten die Treppe hinunter auf die Straße. Wir suchten Schutz in einem kleinen Park in der Nähe unseres Hauses, wie alle Familien aus unserer Nachbarschaft. Dort blieben wir, bis die Sonne aufging. Sie offenbarte das ganze Ausmaß der Katastrophe.
Ihr unterstützt Kinder und Familien vor Ort. Wie ist die Situation heute?
Die Lage in Syrien ist nach wie vor schwierig, vor allem nach dem Erdbeben und auch durch den anhaltenden Konflikt. Die steigenden Lebenshaltungskosten haben die Lebensbedingungen vieler Familien verschlechtert. Es wird immer schwieriger, das Nötigste zu bekommen. Die allgegenwärtige Armut führt dazu, dass immer mehr Kinder nicht zur Schule gehen können. Und selbst denjenigen, die eingeschult werden, fehlt es vielen an grundlegenden Schulmaterialien wie Taschen, Schreibwaren oder auch geeigneter Winterkleidung.
Was brauchen die Menschen derzeit am dringendsten?
Am dringendsten sind Nahrungsmittel und sauberes Wasser. Aber gerade Kinder, die nicht mehr zur Schule gehen konnten und oft traumatische Erfahrungen gemacht haben, brauchen unbedingt auch Hilfe im Bildungsbereich – Material, sichere Lernräume und oft auch psychosoziale Unterstützung.
Die WeWorld-Sommerclubs
Sommer-Clubs während der Schulferien sind eine der Maßnahmen, mit denen die terre des hommes-Partnerorganisation WeWorld Kinder in Aleppo unterstützt. Mehr als 300 Schüler*innen lernten durch unterschiedliche Bildungs- und Freizeitangebote – etwa Teamspiele, Malen, Lieder und Puppenspiel – das Erlebte auszudrücken und zu verarbeten.
Wenn du auf die letzten Monate blickst: Was macht dir Hoffnung? Worauf bist du stolz?
Normalerweise zögern viele Kinder, im Sommer an Schulaktivitäten teilzunehmen. Aber bei unseren Sommerclubs in diesem Jahr war das anders: Gerade der Sport- und Kunstunterricht wurde zu einer Quelle der Freude für diese Kinder, die so viel durchgemacht haben. Ein Beispiel: Kamal, ein Schüler der vierten Klasse, war eigentlich immer ein hervorragender Schüler. Aber im April, als die Schule nach dem Erdbeben endlich wieder öffnen konnte, wurden seine Noten schlechter. Er hatte Probleme, sich zu konzentrieren, war unmotiviert. Aber nach einem unserer Sommer-Clubs blühte er wieder auf: Er holte die verpassten Stunden nach. Sein Enthusiasmus war wieder da. Er hatte wieder Vertrauen in sich selbst.
Was wünscht ihr euch von der internationalen Gemeinschaft?
Ich hoffe, dass die Hilfe für das syrische Volk fortgesetzt wird, da es nach wie vor mit großen Herausforderungen konfrontiert ist. Ich bedanke mich von ganzem Herzen für die großzügige Unterstützung der deutschen Bevölkerung, die der syrischen Gemeinschaft in dieser schwierigen Zeit beigestanden und sie unterstützt hat. Ich bitte darum, dass diese lebenswichtige Hilfe fortgesetzt wird, da es immer noch viele Menschen gibt, die diese Hilfe dringend benötigen. Von Herzen, danke
30.01.2024