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»Die Bäume sind wie unsere Kinder«

Mosambik: Wie Gemeinden ihre Lebensgrundlagen schützen

Adriano zeigt stolz auf die Setzlinge vor sich. Wie junger Spargel ragen sie aus ihren Töpfen. Mucolongo, Mucandala, M’finse – er kann sie alle unterscheiden, die kleinen Mangroven in der ersten Freiluftgärtnerei dieser Art in Inhassoro. Der Distrikt gehört zur Provinz Inhambane im Südosten Mosambiks, die über eine endlos scheinende Küstenlandschaft mit paradiesischen Stränden verfügt. Doch von den Mangrovenwäldern, die früher die offenen Sandflächen unterbrachen und am Übergang zwischen Land und Meer wuchsen, ist mancherorts kaum noch etwas übrig. Hunderte von Hektar fallen jährlich Äxten und Motorsägen zum Opfer: Die Mangroven bedienen den unerschöpflichen Bedarf an Bau- und Feuerholz, aber es wird auch Platz geschaffen zur Salzgewinnung. Doch ohne Mangroven droht Erosion; Unwetter können stärkere Schäden anrichten, Fische, Vögel und Kleinstlebewesen verlieren eine wichtige Nahrungsgrundlage. Und die mosambikanischen Fischer damit ihre Einkommensquelle. »Wir sehen inzwischen, welche Probleme dadurch entstehen. Deshalb müssen wir mithelfen, dass die Mangroven hier wieder wachsen«, erklärt Adriano, selbst schon fast im Rentenalter. Daher die Setzlinge. Adriano und sein mehr als 20-köpfiges Naturschutzkomitee aus der Gemeinde Chibo geben mit Unterstützung der terre des hommes-Partnerorganisation Mahlale geben sie dieses Wissen nun an ihre Nachbarn weiter. Auch, wenn das nicht immer einfach ist.

In ihren knallgrünen T-Shirts, die nachhaltigen Umgang mit Ressourcen propagieren, sind die Komitees aus Chibo und anderen Gemeinden entlang der Küste ein Trupp von Umweltaktivistinnen und -aktivisten aus der Not heraus: »Wir sehen, wie sich ohne Mangroven alles verändert. Das Wasser kommt näher an unsere Häuser, der Wind wird stärker und schädigt die Kokospalmen, die Bestände von Vögeln, Fischen und Krabben gehen zurück«, beklagt auch Ana. Die Mitvierzigern freut sich daher, dass ihr Engagement auch von der mosambikanischen Regierung unterstützt wird: In der Theorie schützen nun auch Gesetze die Mangroven, in der Praxis beteiligt der Staat sich an Aufforstungsprogrammen und stellt Setzlinge zur Verfügung, die Adriano, Ana und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter auspflanzen. »Die Bäume sind wie unsere Kinder, wir müssen gut auf sie aufpassen.«

Einkommensängste der Bevölkerung

Auf dem Dorfplatz steht eine kleine Gruppe gestikulierend beieinander, der Gesprächston hebt zunehmend an. »Eure Netze sind zu engmaschig, ihr fangt dadurch Fische, die noch viel zu jung sind, und den Laich gleich mit«, ereifert sich eine junge Frau. »Wir haben keine Wahl, wir brauchen ein Einkommen und die Konkurrenz wächst«, entgegnet ein Mann, offensichtlich ein Fischer aus dem Dorf. Zumindest auf dieser improvisierten Bühne. Denn zu sehen ist ein Theaterstück, das sich einem weiteren großen Umweltproblem in der Region widmet. Aufgelöst wird der »Streit« durch einen Beitrag aus dem Publikum: »Nehmt keine Moskitonetze zum Fischen, pausiert während der Laichzeiten in den Mangroven und fangt stattdessen im Fluss oder Meer.« Natürlich sind die Lösungen nicht immer so gradlinig, wie diese theaterpädagogische Aktion des terre des hommes-Partnerorganisation Mahlahle suggeriert. Es dauert, bis Praktiken sich verändern, Alternativen müssen her, denn die Einkommensängste der armen Bevölkerung, die das Publikum bildet, sind berechtigt. »Doch nur, wenn sich das Bewusstsein verändert, haben nachhaltige Methoden eine Chance«, sagt Projektkoordinator Pascoal Mapilele. Dies ist in Mosambik nicht anders als in Deutschland.

Dass diese Veränderung passiert, dazu tragen auch Kinder und Jugendliche in Inhambane bei. Julieta zum Beispiel. Selbstbewusst hält die Zwölfjährige dem Leiter einer lokalen Umweltbehörde das Mikrofon vor die Nase: »Was tun Sie für den Mangrovenschutz? Warum sollten wir keine Brandrodung betreiben? Wie können wir dafür sorgen, den Fischbestand zu erhalten?« Zweimal pro Woche haben Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, im Bürgerradio an vier Projektstandorten ihre Anliegen zu präsentieren, im Mix mit Musik, Gedichten oder Spielen zur Auflockerung. Seit einiger Zeit ist nun Umwelt- und Ressourcenschutz das große Thema. Die Botschaften verbreiten sich nicht nur über Radiokanäle, sondern auch in Klassenzimmern und von dort weiter in die Familien: »Wir organisieren Weiterbildungen für Lehrkräfte, die dann wiederum das Wissen an ihre Schüler weitergeben«, berichtet Pascoal Mapilele.

Radiosendung und Theaterstücke

Um es nicht bei der Theorie zu belassen, haben sich sogenannte Ökoclubs gegründet. So auch an einer Grundschule in der Gemeinde Chibo. 25 Mitglieder hat der Club, der mit Unterstützung zweier Lehrer einen kleinen Aktionsplan entworfen hat, um andere Mitschülerinnen und -schüler über Umweltthemen zu informieren. Konkret wird dies in den Schulgärten, wo vor allem zwischen Mai bis August nun ein vielfältiges Gemüseangebot sprießt: Kohl, Kopfsalat, Karotten, Zwiebeln und Tomaten, von den Kindern zuvor angebaut, gewässert und gepflegt, bereichern dann den Speiseplan und machen Lust, mehr darüber zu lernen, wie Landwirtschaft oder Gemüsebau auch unter schwierigen Umständen gelingen können: »Unsere Erde ist leider nicht sehr fruchtbar, manchmal gibt es auch zu wenig Wasser«, erklärt Ökoclubmitglied Eduardo. Gelernt haben er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter zum Beispiel, wie man Kompost herstellen kann mit dem was da ist, um so die Qualität des Bodens zu verbessern. Auch Baumpflanzungen sind populär bei den jungen Umweltaktivistinnen und -aktivisten, die ihr Wissen auch schon erfolgreich zu Hause eingebracht haben.

Natürlich braucht es Zeit, bis die unterschiedlichen Aktivitäten des Projektes greifen. Schritt für Schritt werden sie jedoch einen wichtigen Beitrag leisten zum Schutz von wichtigen Ökosystemen wie den Mangrovenwäldern und der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen, Tiere und Pflanzen in Inhambane.

Claudia Berker

 

23.05.2019

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