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Hilfe für die Kinder von Santo André

Zufrieden schaufeln die vierjährige Alice und ihr ein Jahr jüngerer Bruder Alex das Mittagessen in sich hinein: Kartoffeln, Geschnetzeltes und Salat. 120 Kinder sitzen im Speisesaal. Nach dem Essen warten Alice, Alex und die anderen geduldig, bis sie mit dem Aufstehen an der Reihe sind. Geordnet marschiert jede Gruppe seiner Erzieherin hinterher. Noch eine halbe Stunde spielen, dann gibt es Mittagsschlaf.

Einen geregelten Tagesablauf kannten die wenigsten der Kinder, bevor sie in den Kindergarten Celivi kamen. Die Zwei- bis Sechsjährigen sind zuhause in den Elendsvierteln der Stadt Santo André in der Peripherie der Megametropole São Paulo. Die Lebensverhältnisse sind beengt, oft wohnt die ganze Großfamilie in einem Raum. An ausgelassenes Spielen ist da ebenso wenig zu denken wie an ruhige Schlafenszeiten. Hinzu kommt, erklärt Leiterin Magda Herrerias, dass die Kinder oft vernachlässigt werden. Viele Väter verlassen die Familien früh, und Mütter müssen Erziehung und Geldverdienen allein bewältigen. Weil sie sich nicht anders zu helfen wissen, sperren sie ihre Kinder den ganzen Tag lang ein, nur mit etwas Wasser und einem Nachttopf, so Herrerias. Kinder, die sich nicht befreien konnten sind schon bei Bränden ums Leben gekommen. Einsamkeit und das Fehlen eines geordneten Tagesablaufs verunsichern Kinder zutiefst, weiß Celivi-Psychologin Reny Aparecida Cecconello Machado. Das macht viele von ihnen ängstlich, misstrauisch und aggressiv.

Spiel und Vorschulunterricht
Damit die Kinder von Santo André behütet aufwachsen können, bietet Celivi 120 von ihnen kostenlose Betreuung. Dazu gehören vier gesunde Mahlzeiten am Tag, medizinische Untersuchungen, Raum und Zeit zum Spielen und sogar Vorschulunterricht. Mit fünf bis sechs Jahren können die meisten schon ein wenig lesen und schreiben und kennen die Bundesstaaten Brasiliens. Umgerechnet 21.500 Euro braucht der Hort im Monat, rechnet Erich Fuchs vor, ehrenamtlicher Vizepräsident und Finanzbeauftragter von Celivi. Das mag nach viel Geld klingen, doch pro Kind und Tag macht das gerade mal 4,90 Euro. Knapp ein Fünftel steuert die Volkswagen-Belegschaft bei, die Celivi im Rahmen der Aktion Eine Stunde für die Zukunft unterstützt. Der 70-jährige Fuchs ist gebürtiger Deutscher, lebt jedoch schon seit seiner Kindheit in Brasilien. 31 Jahre lang arbeitete er bei Volkswagen in São Paulo, zuletzt als Gruppenleiter in der Qualitätssicherung. Von Celivi erfuhr er in den frühen 1980er Jahren. Zunächst engagierte er sich, indem er in der Belegschaft Spenden sammelte. Seit 2001 wird die Spendenaktion über terre des Hommes organisiert.

Gegründet wurde Celivi von der Mutter der heutigen Leiterin im Jahr 1981. Sie stammte selbst aus einfachen Verhältnissen. Geld hatte sie keines, nur die Idee, dass die Kinder von Santo André eine Zuflucht brauchen. Sie ging von Tür zu Tür und bat um Hilfe. Lieh sich hier einen Sack Zement, dort ein paar Backsteine, bis sie genügend Material zusammen hatte, um den Hort zu bauen. Ich zahle euch alles zurück, versprach sie den Leuten. Als die ersten Geldspenden kamen, hielt sie ihr Versprechen und stotterte ihre Schulden ab. Wie die Mutter, so arbeitet heute auch Tochter Magda Herrerias ehrenamtlich für Celivi. 20 fest angestellte Mitarbeiter helfen ihr dabei - darunter Pädagoginnen, eine Sozialarbeiterin, Köchinnen und Putzfrauen. Zur Arbeit der Betreuerinnen gehören auch Elternabende, auf denen sie Müttern und Vätern Erziehungstipps geben. Dass man Kindern am zum Beispiel nicht von oben herab Anweisungen erteilt, sondern sich hinunterbeugt, und Aug' in Auge mit ihm spricht, so Psychologin Machado. Das wirke Wunder, lacht sie. Auf einmal hören die Kleinen, weil sie sich ernst genommen fühlen.

Von den Elternabenden profitierte auch die 19-jährige Näherin Renata Conceição, die Mutter der Geschwister Alex und Alice. »Früher war Alex sehr stur, heute ist er viel umgänglicher. Ich habe gelernt, wie ich meine Kinder ausgewogen ernähren kann, etwa, mit Obst und Gemüse«, erzählt Conceição. Ihr Mann verdient als Lehrling kein Geld, sie muss die Familie mit ihrem Gehalt von rund 220 Euro im Monat allein ernähren. Eine gereglte Kinderbereuung hatte sie bis vor kurzem nicht. Zwar konnte ihre Mutter ab und zu nach den Kindern sehen, doch oft blieb ihr nichts anders übrig, als sie mit in die Näherei mitzunehmen. Immer wieder drohte die genervte Chefin, ihr zu kündigen. Diese Gefahr ist nun abgewendet: Seit Anfang 2011 sind ihre Kinder von morgens um sieben bis zum Nachmittag um vier Uhr bei Celivi versorgt. »Eine große Erleichterung«, freut sich Conceição.

Das finden auch ihre Kinder. Die Mittagspause ist vorbei. Alice und Alex räkeln sich und strecken ihre Arme aus. Noch einmal die Augen reiben, dann geht es raus, in den Garten, wo Hula-Hoop-Reifen, Springseile und Spielzeugautos darauf warten, in Beschlag genommen zu werden. Wo die Betreuerinnen die Musik laut aufdrehen, um ausgelassen mit ihnen in der Sonne zu tanzen. Wo sie mit Leib und Seele Kind sein dürfen.

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