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Afghanistan: Die Angst der Frauen

Frauen und Mädchen, die in Afghanistan für ihre Rechte kämpfen, sind verzweifelt und haben unvorstellbare Angst. Die meisten wollen das Land verlassen. Wir sprachen mit der Mitarbeiterin einer unserer Partnerorganisationen, die sich seit vielen Jahren gegen die Zwangsverheiratung von Kindern und für die Bildung und Ausbildung von Mädchen einsetzt. Um sie nicht zu gefährden, wird ihr Name nicht genannt.

Wie fühlst du dich zurzeit?

Die Situation wird von Tag zu Tag schlimmer. Nicht nur ich, alle meine Freundinnen und Kolleginnen sind traurig, verzweifelt und voller Angst. Wir sind fast nur noch zuhause. Wenn wir das Haus verlassen, haben wir Angst, dass jemand kommt und uns misshandelt oder tötet. Wir haben Angst, dass sie unsere Kinder entführen. Das ist die Angst, die wir fühlen.

Manchmal denke ich: Vielleicht schlafe ich. Und wenn ich aufwache, wird dieser Alptraum vorbei sein. Aber nein. Er geht immer weiter. Wir versuchen nur noch, Wege zu finden, um Afghanistan zu verlassen. Wir haben uns das nicht gewünscht. Wir werden gezwungen.

Gegenüber den Medien haben die Taliban gesagt, sie würden die Frauenrechte respektieren…

Zu den Medien sagen sie das eine, in der Praxis tun sie etwas ganz anderes. Wir haben keine Rechte und keine Chancen. Wir haben keine Möglichkeit, uns zu äußern. Wir dürfen nicht zur Arbeit gehen. Wenn wir versuchen, zu demonstrieren, wird mit Gewehren geantwortet. Zwei Männer wurden erschossen, weil sie uns unterstützt haben.

Wie geht es den Mädchen aus unseren Projekten?

Sie sind traurig und haben keine Motivation mehr. Sie schicken mir jeden Tag per Voicemail Nachrichten und fragen: Wann werden die Kurse weitergehen? Wir sagen ihnen, dass sie abwarten müssen. Wir müssen auf die Genehmigung warten. Das Einzige, was wir tun können, ist online mit ihnen zu sprechen und den Kontakt zu halten. Viele Mädchen in Afghanistan haben schon vor der Machtübernahme der Taliban Gewalt erfahren und unter psychischem Stress und Depressionen gelitten. Aber jetzt ist alles noch viel schlimmer. Sie sind nur zuhause und werden jeden Tag verrückter.

Gibt es Gespräche mit den Taliban über die Fortführung der Projekte?

Wir haben das versucht, aber sie wollen nicht mit uns Frauen reden. Sie sprechen nur mit den Männern. Sie sagen, dass wir die Art unserer Arbeit ändern sollen. Die Projekte sollen vor allem Männer unterstützen, nicht Frauen und Mädchen.

Wie können die Menschen in Deutschland den Frauen in Afghanistan helfen?

Verbreitet unsere Stimme. Wir wollen, dass die Welt uns hört. Alle sollen wissen, wie wir jetzt leiden.

Wie siehst du deine Zukunft?

Bevor die Taliban die Macht übernahmen, hatte ich viele Pläne. Jetzt nicht mehr. Ich warte nur auf eine Möglichkeit, Afghanistan zu verlassen. Was könnte ich hier tun? Als Frauenrechtlerin sitze ich zuhause. Es ist mir verboten, laut zu sprechen. Wenn ich Afghanistan verlassen kann, kann ich vielleicht von außen etwas tun. Ich habe vor zwanzig Jahren unter dem alten Taliban-Regime gelitten. Ich will nicht, dass meine Kinder solch dunkle Nächte erleben müssen.

Wie geht es deinen Kindern?

Mein ältestes Kind darf nicht in die Schule. Ab der siebten Klasse gibt es keinen Unterricht mehr. Es sitzt vor dem Fernseher und fragt mich jeden Tag: Mama, wann gehen wir raus aus Afghanistan? Was wäre deine Antwort als Mutter? Es ist hart. Du kannst dir das nicht vorstellen.

Mein jüngeres Kind geht zur Schule. Der Unterricht von der ersten bis zur sechsten Klasse findet statt. Aber das Kind kommt nach Hause und sagt: Mama, ich will nicht mehr in die Schule. Warum? Es gibt keinen Anreiz. Die bisherigen Bücher werden nicht mehr benutzt. Englisch wird nicht mehr unterrichtet. Die Kinder sollen stattdessen andere Bücher lesen. Religiöse Bücher. Wenn du solche Probleme in der Familie hast, was kann dann dein Plan sein? Dann planst du nur, Afghanistan zu verlassen. Und das ist auch mein Plan.

22.09.2021

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