»Das größte Problem ist die Diskriminierung von Mädchen«
Omika aus dem indischen Bundesstaat Uttar Pradesh über ihr Leben und die Probleme im Dorf
Omika ist 19 Jahre alt und kommt aus Jaihupur, einem 3.500-Einwohner-Dorf im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. terre des hommes unterstützt hier mit Hilfe des Logistikunternehmens DACHSER ein Projekt zur Förderung von Jugend- und Frauengruppen – wie in 50 weiteren Dörfern in Uttar Pradesh. Die Gruppen engagieren sich gegen die Diskriminierung von Mädchen und Frauen, gegen die Zwangsverheiratung von Kindern und gegen die Erniedrigung der Dalits, der niedrigsten Kasten. Sie kontrollieren ob und wie die Lehrer in den Dorfschulen arbeiten, reagieren auf Probleme jeder Art und suchen nach Lösungen.
Ominka ist in der Jugendgruppe ihres Dorfes aktiv. Gemeinsam mit vier weiteren Jugendlichen aus Indien besuchte sie im Juli 2017 DACHSER in Kempten und terre des hommes in Osnabrück, wo Iris Stolz mit ihr sprach:
Omika, wie lebst du in deinem Heimatdorf?
Ich komme aus einer Bauernfamilie. Wir haben etwas Land, auf dem wir Blumen anbauen. Daraus machen wir Girlanden und Ketten, die wir auf dem Markt verkaufen. Ich habe noch drei Schwestern und einen Bruder. Manchmal können wir ganz gut von unserer Arbeit leben und in drei Monaten etwa 7000 Rupien (ca. 90 Euro) verdienen. Es kommt auf die Auftragslage an. Wir bauen auch etwas Weizen an und verkaufen ihn. Wenn wir nicht genug einnehmen, bekommen wir Nahrungsmittelhilfe von der Regierung.
Auf was für eine Schule gehst du?
Ich bin auf eine staatliche Schule gegangen. Wir waren 170 Schüler in einer Klasse und wir saßen mit sechs Schülern an einer Bank. Ich habe nichts von dem verstanden, was der Lehrer sagte. Aber bis zur 5. Klasse gab es in der Schule auch Mittagessen. Jetzt möchte ich Lehrerin werden. Ich gebe Nachhilfeunterricht und spare für die Ausbildung.
Was macht ihr in der Jugendgruppe?
Wir treffen uns jeden Monat in einer großen Gruppe und reden über die Situation im Dorf. Aber ich bin auch in der Schulgruppe, die sich jede Woche trifft. In der Schulgruppe passen wir auf, wie es den Kindern geht. Wir pflanzen aber auch Gemüse an. Außerdem organisieren wir Spiele auf der Straße. Das sind Spiele, bei denen die Kinder etwas lernen. Wenn uns Kinder auffallen, die nicht gesund sind oder unterernährt oder offenbar von ihren Eltern geschlagen werden, dann bringen wir sie in ein Zentrum im Dorf. Es ist ein Gesundheitszentrum, wo sie nahrhaftes Essen bekommen können oder zum Arzt gebracht werden. Wir reden auch mit den Lehrern und mit den Eltern, damit sie die Kinder nicht schlagen.
Und die Kinder, die gar nicht zur Schule kommen?
Wenn Kinder nicht zur Schule geschickt werden, weil sie zum Beispiel auf die Rinder aufpassen müssen, dann versuchen wir mit den Eltern zu reden. Wir wollen sie überzeugen, dass Bildung notwendig ist. Wegen der Kühe sollten die Eltern eine andere Lösung suchen, denn es geht um die Zukunft der Kinder.
Welches sind die größten Probleme in eurem Dorf?
Das größte Problem ist die Diskriminierung von Mädchen. Sie gehen weniger zur Schule, sie müssen den Haushalt machen, sie dürfen nicht ausgehen. Sie werden sehr eingeschränkt. Jungen haben viel mehr Freiheit. Von Anfang an diskriminieren die Eltern ihre Töchter. Sie sagen ihnen: Du wirst in einem anderen Haus leben, also musst du lernen, wie man sich benimmt und wie man arbeitet. Mädchen müssen viele Opfer bringen, der Stolz der Familie hängt von ihrem Gehorsam ab. In unserem Dorf gab es fünf Mädchen, die verkauft wurden. Es ist nicht lange her. Sie waren etwa zwischen zwölf und 14 Jahre alt. Es kamen Männer und haben die Mädchen geheiratet. Die Eltern sind so arm, dass sie ihre Töchter verkauft haben. Sie sind Dalits und die Polizei hat nichts unternommen. Niemand hat das angeklagt. Wir haben darüber in unserer Gruppe diskutiert. Wir wollen die Leute überzeugen, dass so etwas nicht wieder passiert. Aber noch gibt es viel Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
Glaubst du, das wird sich ändern?
Ja, denn bei uns sind fast alle jungen Leute in einer Gruppe und wir diskutieren viel. Wir sprechen dann mit unseren Familien und überzeugen sie, dass jeder die gleichen Rechte hat.