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Neue Impulse für mehr Geschlechtergerechtigkeit

Sie werden zwangsweise verheiratet, sie werden vergewaltigt, sterben an dilettantischen Abtreibungen und werden als Arbeitskraft ausgebeutet. Sie werden sexuell missbraucht und zur Prostitution gezwungen. Ihre Genitalien werden verstümmelt. Die Liste drastischer Kinderrechtsverletzungen, die nur oder vor allem Mädchen betreffen, ist lang und erschütternd. terre des hommes hat deshalb 2018 beschlossen, geschlechtsspezifischen Kinderrechtsverletzungen den Kampf anzusagen, Mädchen zu stärken und ihre Rechte zu verteidigen. Dies ist zwar schon seit Jahrzehnten Teil der terre des hommes-Arbeit, durch die aktuelle Schwerpunktsetzung sind jedoch bei den Partnerorganisationen und in den eigenen Reihen neue Impulse gesetzt worden.

Südasien: Kinder- und Zwangsheirat verhindern

Besonders in Südasien wird Geschlechtergerechtigkeit in den Projekten thematisiert – seien es Bildungsprojekte, Projekte gegen die Ausbeutung von Kindern oder Projekte zur Ernährungssicherung. Die traditionell ungleichen Rechte von Männern und Frauen, Mädchen und Jungen machen dies notwendig. So sind zum Beispiel Kinder- und Zwangsheiraten besonders in Indien und Afghanistan nach wie vor häufig. terre des hommes-Partnerorganisationen konnten jedoch melden: 2019 haben sich 213 heranwachsende Mädchen, die durch Projekte erreicht wurden, gegen ihre frühe Heirat gewehrt. Stattdessen gehen sie zur Schule oder lernen einen Beruf.

Einigen anderen wurde geholfen, aus ihrer Zwangsehe auszubrechen. Zum Beispiel Nooria aus der Provinz Herat in Afghanistan: Als Zehnjährige wurde sie von ihrem Großvater gegen Geld an eine reiche Familie verheiratet – dort, wo sie lebt, keine ungewöhnliche Praxis. In der Familie ihres Mannes wurde sie sexuell missbraucht und mit Drogen gefügig gemacht. Nooria war schwer traumatisiert, fand aber den Mut fortzulaufen. Ihre Mutter wollte ihr helfen und sie wieder bei sich aufnehmen. Der Großvater blieb jedoch hart: Das Kind sollte zurück zu ihrem Ehemann.

Nur mit Hilfe der Sozialarbeiterinnen im terre des hommes-Projekt gelang es schließlich, Noorias Rückkehr zu verhindern. Sie bekam psychologische Unterstützung, Drogenentzug und wurde wieder eingeschult. Heute ist sie zwölf Jahre alt, will Lehrerin werden und engagiert sich im terre des hommes-Projekt gegen die Zwangsverheiratung von Kindern: Sie teilt ihre Erfahrungen anderen Familien mit und hat bereits bewirkt, dass immer weniger Familien in ihrem Umfeld ihre Töchter zwangsverheiraten und immer mehr Menschen verstehen, warum Bildung und Ausbildung auch für Mädchen wichtig sind.

»Empower Young Girls, Change Their Lives«

Kinder- und Jugendgruppen sind in über 70 Prozent unserer indischen Partnerorganisationen aktiv. Hier wird viel über Werte und Normen diskutiert und Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit – wie Zwangsehen, Mitgiftforderungen, sexueller Missbrauch, Zugang zu Bildung, Hausarbeit – interessieren die Jugendlichen besonders. Ihre Erkenntnisse tragen sie weiter in ihre Familien, in die Dörfer und Slums der Städte, in denen sie leben, in die Schulen und in ihre Freundeskreise. Wenn sie von Kinderrechtsverletzungen in ihrem Umfeld erfahren, werden sie aktiv. Sie sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und verändern die Gesellschaft hin zu mehr Demokratie und Gleichberechtigung.

Auch Sport spielt beim Abbau von Vorurteilen eine Rolle: Bei Rugby, Fußball, Frisbee, Boxen, Radfahren und anderen Spielen kommen Mädchen und Jungen, auch aus ethnisch unterschiedlichen Gruppen, zusammen. Sie lernen einander kennen und korrigieren ihre Rollenklischees. 2019 wurden in Indien 8.629 Kinder und Jugendliche spielerisch für die Gleichstellung derGeschlechter sensibilisiert. 320 Kinder nahmen an einem Drei-Kilometer-Lauf mit dem Slogan »Empower Young Girls, Change Their Lives« teil.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit in Indien ist die Verbesserung der Situation von Mädchen, die in der Textilindustrie arbeiten: In den Fabriken im Bundesstaat Tamil Nadu, wo Textilien für den globalen Markt produziert werden, sind Mädchen immer wieder Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt. 2019 wurden 4.331 von ihnen geschult und beraten, damit sie sich besser gegen die Übergriffe wehren können.

Viel erreicht, viel zu tun

Nicht nur in Südasien, auch den anderen Regionen, in denen terre des hommes aktiv ist, spielt die Gleichberechtigung der Geschlechter in den Projekten eine wichtige Rolle. Um Geschlechtergerechtigkeit näherzukommen, bedarf es jedoch nicht nur einzelner Projekte, sondern auch einer starken Einflussnahme auf die Politik. terre des hommes arbeitet deshalb mit verschiedenen Netzwerken zusammen – zum Beispiel in Simbabwe und in Mosambik mit den nationalen Sektionen der Koalition gegen Kinderheirat. Gemeinsam mit diesen Allianzen und Partnerorganisationen werden auf lokaler, auf nationaler und auf internationaler Ebene geschlechtsspezifische Rechtsverletzungen sichtbar gemacht und angeprangert.

Viel wurde erreicht, aber viel bleibt noch zu tun: Bei Mitarbeiter- und Partnerfortbildungen lag der Schwerpunkt 2019 deshalb auf geschlechtsspezifischen Rechtsverletzungen, weitere Gender-Trainings sind geplant. Ein kohärenter Gender-Ansatz, der die aktuellen Debatten berücksichtigt, soll formuliert und implementiert werden. Mit diesem Zweck wurde 2019 ein kleines Team aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle und der Regionalbüros gebildet. Es hat das weitere Vorgehen ausformuliert und einen Aktionsplan erarbeitet.

Denn noch immer kennen viel zu wenig Mädchen ihre Rechte und sind in der Lage, sie zu verteidigen. Angihel aus Peru sagt, ihr ganzes Leben habe sich geändert, als sie die von terre des hommes geförderte Theatergruppe kennenlernte: »Hier habe ich gelernt, an meine Träume zu glauben. Ich habe alles über die Rechte von Mädchen gelernt. Wenn ich zu bestimmen hätte, würde ich die Bildung verbessern. Ich würde für die Einhaltung der Frauenrechte und der Kinderrechte sorgen. Männer, die für ihre Kinder keinen Unterhalt zahlen, müssen bestraft werden.«

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