Ein Kinderrecht auf eine gesunde Umwelt
Eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte wird der Kampf gegen den Klimawandel und die wachsende Umweltzerstörung sein.
Kinder sind von den Folgen der Umweltzerstörung besonders betroffen. Jedes Jahr sterben 1,7 Millionen Kinder unter fünf Jahren aufgrund widriger Umweltbedingungen. Neun von zehn Kindern atmen in Metropolen wie Neu Delhi, Schanghai oder Karatschi Luft, die schädlich für ihre Gesundheit ist. Rund 1,5 Millionen Kinder sterben jedes Jahr an Magen- und Darmerkrankungen als Folge von ungenießbarem Trinkwasser. Heute leben 500 Millionen Kinder in Gebieten mit extrem hohem Hochwasserrisiko. Rund 115 Millionen Kinder sind den Folgen tropischer Wirbelstürme ausgesetzt und fast 160 Millionen Kinder wohnen an Orten, die von Dürre bedroht sind.
Der Kampf gegen die Umweltzerstörung und den Klimawandel ist deshalb auch ein entschiedenes Engagement für die Zukunft unserer Kinder. Im Jahr 1989 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention, in der die grundlegenden Rechte von Kindern festgeschrieben sind. Damals waren allerdings die schwerwiegenden Folgen der Umweltzerstörung noch nicht abzusehen. Angesichts der sich verschärfenden Umweltkrisen engagiert sich terre des hommes für die Ergänzung der UN-Kinderrechtskonvention um das »Recht auf eine gesunde Umwelt«. Einen entsprechenden Forderungskatalog hat terre des hommes im Oktober 2019 der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, sowie dem UN-Menschenrechtsrat überreicht. Darüber hinaus veröffentlichte terre des hommes beim vergangenen Klimagipfel in Madrid einen Appell an Regierungen, mehr Geld zum Schutz von Kindern bei Katastrophen bereitzustellen, Kinder bei der Entwicklung nationaler Klimaschutzpläne einzubinden und mehr Umweltthemen in den Schulunterricht aufzunehmen Bisher haben bereits 14 Staaten den Appell unterzeichnet. terre des hommes wird nun gemeinsam mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen mit den Unterzeichnerstaaten Verhandlungen über die Umsetzung der im Appell enthaltenen Forderungen führen.
Im Mittelpunkt unserer Arbeit auf politischer Ebene steht gegenwärtig die von terre des hommes gemeinsam mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen gestartete »Internationale Initiative für das Kinderrecht auf eine gesunde Umwelt« (Children’s Environmental Rights Initiative). In den vergangenen Monaten organisierte die Initiative für die Region Lateinamerika/Karibik in Kolumbien und für Ostasien/Pazifik in Indonesien gemeinsame Konsultationstreffen von Kindern mit Fachleuten der Vereinten Nationen und dem UN-Berichterstatter für Umwelt und Menschenrechte David Boyd. Diskutiert wurden Modelle für eine neue und andere Umweltpolitik.
Dabei wurden auch die Problemfelder benannt, die für die jeweiligen Regionen und Nationen von besonderer Brisanz sind. Beispielsweise in Lateinamerika stehen die negativen Folgen des Bergbaus im Mittelpunkt; in Asien und im Pazifikraum ist der Plastikmüll das beherrschende Thema. Ein weiteres Problem in Indonesien sind die Folgen der Brandrodungen, mit denen Platz für Palmölplantagen geschaffen wird. Wegen der dabei entstehenden Rauchentwicklung müssen sogar Schulen vorübergehend geschlossen werden.
Bei diesen Konsultationstreffen entwickelten die Kinder selbst zahlreiche Forderungen. Sie drängen auf die Einhaltung von Umweltverträgen und plädieren beispielsweise für die Abschaffung von Einwegplastik. Erneuerbare Energien und der öffentliche Nahverkehr sollen stärker gefördert werden. Ein weiteres Thema war der mediale Zugang von Kindern zu Informationen über Umweltgefahren und Lösungsansätze. Um diese Forderung umzusetzen, wurde von der Internationa- len Kinderrechtsinitiative die Internetseite www. childrenvironment.org ins Netz gestellt. Neben Umweltthemen enthält die Seite einen Blog, in dem Kinder und Jugendliche sowie Expertinnen und Experten und Umweltinitiativen gemeinsam über ökologische Themen und die Bedeutung der Kinderreche diskutieren können. In der Plattform enthalten ist ferner eine Umfrageseite (#MyPlanetMyRights) zu verschiedenen Umweltthemen. Hier können sich Jungen und Mädchen zu Wort melden, die bisher noch nicht an den Konsultationstreffen teilnahmen. Bisher haben bereits Jugendliche aus 60 Ländern an der Befragung teilgenommen.
Eine weitere Forderung der Jugendlichen bei den Konsultationstreffen war die nach einem Dialog zwischen den Generationen sowie zwischen den Verursachern von Umweltzerstörungen und deren Betroffenen. Kinder, so die Schlussfolgerung, sollen bei zukunftsrelevanten Umweltentscheidungen aktiv beteiligt werden. Die Konsultationsteilnehmerinnen und -teilnehmer brachten auch die Idee eines gemeinsamen internationalen Jugendaktionstags und einen verstärkten grenzüberschreitenden Schüleraustausch in die Diskussion ein und kritisierten den mangelnden Respekt und die Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen, die sich für Umweltthemen engagieren.
Die Staaten Lateinamerikas und der Karibik haben kürzlich einen Vertrag zur Sicherung der Umweltrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger geschlossen. Die Vereinten Nationen wollen nun eine kinderfreundliche Fassung dieses Abkommens erarbeiten. Auch dies ist ein Ergebnis der von terre des hommes mitinitiierten Konsultationen. In seinem im Oktober vorgelegten Bericht an die UN-Generalversammlung zum Thema Klimawandel und Menschenrechte nahm der Sonderberichterstatter für Umweltrechte, David Boyd, ausdrücklich Bezug auf die Konsultationstreffen. Nun sollen die Forderungen der Kinder und Jugendlichen in die Erarbeitung einer Charta für das Kinderrecht auf eine gesunde Umwelt einfließen, die baldmöglichst von allen UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnet werden soll. Bis es soweit ist, wird das Kinderrecht auf eine gesunde Umwelt auf der politischen Agenda von terre des hommes ganz oben stehen.