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Capernaum: Stadt der Hoffnung (Filmtipp)

Regie: Nadine Labaki
Libanon/Frankreich 2018
FSK ab 12 freigegeben
Kinostart: 17.1.2019
Erscheinungstermin DVD: 24.5.2019
Preis: 14,99 €

Zain al Rafeeas Flucht aus Syrien ist nach acht Jahren in Hammerfest, Norwegen, zu Ende gegangen. Bis dahin durchlebte der Junge eine lange und leidvolle Odyssee.

Als er sechs Jahre alt war, sind seine Eltern mit ihm und seinen Geschwistern aus Syrien geflohen und haben in Beirut versucht zu überleben. Zain musste früh kleine Hilfsjobs annehmen und mithelfen, die Familie zu ernähren. Mit seiner Familie lebte er in Capernaum, dem größten Slum Beiruts. Wie verrückt muss es ihm vorgekommen sein, als er angesprochen wurde, ob er in einem Film mitspielen wolle! Er wollte, und er wurde von Regisseurin Nadine Labaki engagiert. Die Libanesin Nadine Labaki lebt in Beirut und drehte den Film in Capernaum und an vielen anderen Orten in Beirut mit Darstellern, die den täglichen Überlebenskampf, den Hunger, die Enge, die Gewalt kennen. »Capernaum« ist eine Beschreibung biblischen Ursprungs, die sich vor allem im Arabischen und Französischen als Bild für einen Ort voller Chaos und Unordnung etabliert hat.

Von den Eltern nur Beschimpfungen
Zain al Rafeea spielt in dem Film Zain einen ungefähr 12jährigen Jungen, schmächtig zwar, aber sehr klug, schlagfertig und gewitzt. Er ist fähig, sich in seinem Umfeld zu behaupten Die Botendienste, die er als Kind bekommen kann, sind schlecht bezahlt und körperlich sehr hart. Dabei ist er ein eher schmächtiges Kind. Er beobachtet die Menschen, mit denen er zu tun hat, genau, und die Kluft zwischen dem, was sie sagen und was sie tun, fällt ihm immer wieder auf. Sehr kritisch sieht er auch seine Eltern, von denen er nur Drohungen und Beschimpfungen bekommt. Sein Vater schlägt ihn auch, er ist mit seinem Sohn ganz und gar nicht einverstanden. Zain liebt seine Schwester, von der er allen Schrecken fernhalten will. Er weiß, dass die Eltern planen, sie sofort, wenn sie ihre Periode zum ersten Mal bekommt, zu verheiraten, obwohl sie noch ein Kind ist. Der Mann, der den Jungen gelegentlich mit meist schwerer Arbeit beschäftigt, interessiert sich für Zains Schwester, doch dieser hält nichts von seinem Chef. Und Zein weiß, dass es seine Schwester bei ihm nicht gut haben wird.

Zwangsheirat
Irgendwann ist es soweit, die Verheiratung soll stattfinden. Zain hat Geld für den Bus gespart, um mit seiner Schwester zu fliehen. Ihre Reise soll sie zunächst zu ihrer Großmutter aufs Land führen. Aber seine Schwester kommt nicht zum Bus. Er muss also alleine losfahren.

Dies ist der Beginn einer beispiellosen Odyssee durch das Beiruter Elend, die Armut, den Dreck, die Ablehnung und Schutzlosigkeit. Er lernt eine junge Mutter Rahil kennen, eine Afrikanerin ohne Einreisepapiere –illegal also -, die ihr Kind verstecken muss. Er kann bei ihr unterschlüpfen und gegen Essen tagsüber auf das Kind aufpassen. Eines Tages kommt Rahil nicht nach Hause zurück, sie wurde festgenommen. Zain muss sich nun auch um das Kind kümmern.

Klage gegen die eigenen Eltern
Er liebt das Kind, aber es ist nicht zu schaffen. Er muss es einem Bazarhändler verkaufen, der ihm gute Eltern für das Kind verspricht, das aber gewiss nicht im Sinn hat. Zain findet auch keine Arbeit mehr und fährt zurück zu seiner Familie. Dort nimmt das Verhängnis erst recht seinen Lauf: er landet im Gefängnis. Dort setzt er eine Klage gegen seine Eltern durch.

Diese Klage gegen seine Eltern, die ihn auf die Welt gebracht haben und denen er vorwirft, ihn nur misshandelt, ausgebeutet und geschmäht zu haben, stellt die Rahmenhandlung des Filmes dar. Ein 12jähriger Junge, der vor Gericht seine fundamentalen Menschenrechte gegen die eigenen Eltern einklagt – das hält man zunächst für unwahrscheinlich. Dennoch versteht man die Verzweiflung, die Wut und die scharfen Anklagen Zains genau, hat man doch im Laufe des Films alles, was ihm angetan wurde, mitbekommen.

Endstation Norwegen
Zain schenkt seinen Eltern nichts und besteht darauf, dass seine Eltern ihn weder schlagen noch beschimpfen noch seine Schwester hätten verkaufen dürfen. Er lenkt nicht ein. Er will, dass seine Eltern von Gerichts wegen keine Kinder mehr bekommen dürfen. Für Zain, den Jungen des Films, endet der Film mit einem hoffnungsvollen Lächeln, auch Rahil und ihr Kind finden sich wieder. Das hilft, all die Hoffnungslosigkeit und Gewalt, die dargestellt wird, auszuhalten. Für den 12jährigen Zain, den Schauspieler, endet die Flucht mit der Überfahrt nach Norwegen. Dort besucht er zum ersten Mal in seinem Leben eine Schule.

Der Film erzählt die Geschichte eines Jungen und seiner Familie in Capernaum, einem Elendsviertel von Beirut. Der Film ist genau, einfühlsam und empathisch, man fiebert mit dem Jungen mit und hofft, dass er durchkommt, und hofft, dass es eine gerechte Lösung für ihn gibt -so unwahrscheinlich es auch zu sein scheint-.

Preisgekrönt
In Cannes erhielt der Film nach 15-minütigen »standing ovations« den Preis der Kritiker. Zu Recht. Menschenrechte, Kinderrechte – wer sich dafür einsetzt, sollte den Film unbedingt ansehen.

Der Film ist im Januar in den deutschen Kinos angelaufen. Ab 24.5.2019 er als DVD im Handel erhältlich.

Monika Huber

Ein Gesamtübersicht aller in dieser Rubrik besprochenen Bücher und Leseempfehlungen finden Sie auf unserer Seite »terre des hommes-Medientipps«.

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