Zum Inhalt springen

»Ich habe eine zweite Chance erhalten.«

Kolumbien: Eine ehemalige Kindersoldatin berichtet

Yina kämpfte in Kolumbien als Kindersoldatin für die FARC-Guerilla. Doch sie hat den Absprung in ein neues Leben geschafft. Eine große Hilfe war ihr die Terre des Hommes-Partnerorganisation »Taller de Vida«. Knut Henkel hat mit Yina gesprochen.

Wie kam es, dass Sie sich der FARC-Guerilla anschlossen?

Ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Sie hatten drei Farmen, bauten unter anderem illegal Schlafmohn an. Wir Kinder mussten sehr viel arbeiten, wurden geschlagen, liefen in ausrangierter Kleidung von Erwachsenen und alten Gummistiefeln herum. Eine Schulpflicht gab es damals nicht. Unser Alltag bestand aus Arbeit und Misshandlung. Die FARC-Guerilla kontrollierte die Gegend, eine Einheit kam regelmäßig bei uns vorbei. Als meine damals zwölfjährige Tante und ich vom Feld kamen, schlugen sie uns vor, mit ihnen zu gehen. Wir waren mürbe von den Schlägen und der miesen Behandlung zu Hause – wir willigten spontan ein.

War das Leben bei der FARC besser als bei Ihren Großeltern?

Ja, eindeutig. Bei der FARC wurde ich akzeptiert, nicht misshandelt und viel besser versorgt. Neue, eigene Unterwäsche und Strümpfe habe ich erst bei der FARC erhalten. Die Guerilla wurde zu meiner Familie, ich musste mich allerdings an klare Regeln halten. Die FARC bestrafte Verstöße rigoros.

Wie schafft man es zurück in die Zivilgesellschaft?

Ja, ich kenne viele, die es weder beruflich noch familiär geschafft haben, im zivilen Leben Fuß zu fassen. Das Projekt von Taller de Vida war für mich entscheidend. Nach drei Jahren bei der Guerilla wurde ich nach einem Gefecht von der Polizei festgenommen und landete in einer staatlichen Einrichtung. Von da aus kam ich mit etwa 14 Jahren zu Taller de Vida. Dort besuchte ich die Theatergruppe. Über das Theater habe ich gelernt, meine Zeit als Kindersoldatin zu reflektieren, mich auszudrücken. Für Kinder und Jugendliche wie mich sind psychologische Hilfe und Unterstützung extrem wichtig – die habe ich bei Taller de Vida erhalten. Dank dieser Hilfe habe ich meine Ausbildung zur Krankenschwester geschafft. Taller de Vida ist für mich wie eine zweite Familie. Eine Familie, die verzeiht, denn ich habe viele Fehler gemacht und eine zweite Chance erhalten. Die habe ich ergriffen.

Mithilfe von Taller de Vida und Terre des Hommes war ich sogar bei den Vereinten Nationen in New York, um über meine Erfahrungen zu berichten. Und um dem UN-Generalsekretär rote Handabdrücke zu überreichen, die weltweit als Protest gegen den Einsatz von Kindersoldaten und -soldatinnen gesammelt wurden.

Und was machen Sie heute?

Ich habe Sozialarbeit studiert und arbeite jetzt in der Jugendhilfe. Das war ein Traum von mir: denjenigen zu helfen, den Absprung zu finden, den ich selbst gefunden habe.

Helfen Sie mit einer Spende