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Für Kinderrechte!

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Kinderpolitik der AfD

(Stand: 11.11.2024 – Das Bundestagswahlprogramm 2025 der AfD ist hier noch nicht berücksichtigt.)

Wussten Sie, dass sich etliche Maßnahmen, für die sich die AfD bisher ausgesprochen hat, gegen Kinderrechte richten? Im Herbst 2024 haben wir Wahlprogramme und Veröffentlichungen der Partei analysiert. Die Ergebnisse wurden auf Plakaten und in unserem Info-Heft zusammengefasst.

Ob es um eine strafrechtliche Verfolgung von Kindern schon ab 12 Jahren geht, oder um die Rückkehr zu einem autoritären Schulsystem – wenn sie umgesetzt würden, stünde den Kleinsten und Verletzlichsten unserer Gesellschaft nichts Gutes ins Haus.

Sechs Gründe, warum die AfD-Politik den Kinderrechten widerspricht

1. Die AfD möchte 12-jährige Kinder bereits strafrechtlich zur Verantwortung ziehen.

(Stand: 11.11.2024)

Die AfD sagt:

„Vor dem Hintergrund der steigenden Brutalität jugendlicher Krimineller und der gravierenden Problematik jugendlicher Intensivtäter halten wir es für wichtig und zweckmäßig, auf volljährige Täter das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden und das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre zu senken.“1

Die AfD behauptet, dass die Jugendkriminalität in den letzten Jahren an Brutalität gewonnen habe.2 Tatsächlich lässt die Forschungslage diese Behauptung jedoch gar nicht zu.3 Dennoch verwendet die AfD diese Aussage, um ihr Ansinnen zu untermauern: Sie will, dass Kinder deutlich früher - schon mit 12 statt mit 14 Jahren - strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Wir meinen: Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf altersgerechte Strafverfahren. Hierzu gehört ein angemessenes Mindestalter für die Strafmündigkeit, das international anerkannt bei 14 Jahren liegt. Kinder schon mit 12 Jahren strafrechtlich zu belangen, halten wir für nicht kindgerecht.
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[1] »Programm für Deutschland – Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland«, beschlossen auf dem Bundesparteitag in Stuttgart am 30.04./01.05.2016, zuletzt abgerufen am 14.08.2024, S. 25 (im Folgenden »Grundsatzprogramm«)
[2] Grundsatzprogramm, S. 25; AfD-Bundestagswahlprogramm 2021, beschlossen auf dem 12. Bundesparteitag der AfD in Dresden, 10. bis 11. April 2021, zuletzt abgerufen am 14.08.2024, S. 78.

[3] Wolfgang Heinz, „Jugendkriminalität - Zahlen und Fakten“, bpb, 15.12.2023, www.bpb.de/themen/recht-justiz/gangsterlaeufer/203562/jugendkriminalitaet-zahlen-und-fakten/ zuletzt abgerufen am 09.08.2024; „Zahlen ‒ Daten ‒ Fakten Jugendgewalt“, Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention des Deutschen Jugendinstituts e.V., Aktualisierung Juni 2023, S. 16.

2. Die AfD will Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf von der Regelschule verbannen.

(Stand: 11.11.2024)

Auf der Webseite der Bundes-AfD heißt es: „Die Förderschule muss wieder zum Regelfall für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden.“4

Würde die AfD ihre Pläne durchsetzen, müssten etliche Kinder die Regelschule verlassen – nämlich alle mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Wir meinen: Ein sonderpädagogischer Förderbedarf sollte nicht zwangsläufig zum Ausschluss von der Regelschule führen. Inklusion und Integration muss da erfolgen, wo es für Kinder gut und sinnvoll ist. Eine pauschale Verbannung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf von der Regelschule ist weder mit den Kinderrechten noch den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar.  Demokratische und freie Gesellschaften beruhen darauf, dass grundsätzlich alle Menschen am sozialen Leben teilhaben können.
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[4] Webseite des AfD Bundesverbandes, Einzelheiten Wahlprogramm, Rubrik Bildung, Wissenschaft & Forschung – „Keine ideologisch motivierte Inklusion: Förder- und Sonderschulen erhalten“, www.afd.de/wahlprogramm-bildung-wissenschaft-forschung/, zuletzt abgerufen am 09.08.2024; AfD Bundestagswahlprogramm 2021, Beschlossen auf dem 12. Bundesparteitag der AfD in Dresden, 10. bis 11. April 2021, www.afd.de/wp-content/uploads/2021/06/20210611_AfD_Programm_2021.pdf, zuletzt abgerufen am 14.08.2024, S. 150 (im Folgenden: „BT-Wahlprogramm 2021“).

3. Die AfD will ein autoritäres Schulsystem.

(Stand: 11.11.2024)

Götz Frömming, schulpolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, sagt:

„Gerade Schüler aus konservativmuslimisch geprägten Elternhäusern können mit linker Kuschelpädagogik nichts anfangen. Deshalb müssen an unseren Schulen klassische Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Gehorsam, Leistung und Disziplin wieder durchgesetzt werden. Dazu gehören Lehrer, denen die Schulverwaltung den Rücken stärkt und ein Schulgesetzgeber, der sie wieder mit der nötigen Autorität ausstattet. Gleichzeitig muss auch der Zuzug weiterer bildungsferner Migranten sofort gestoppt werden, damit sich unser Bildungssystem regenerieren kann."5

Wir meinen: Mit einem solchen Bild von Schule wird zu wenig Rücksicht genommen auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen aber auch auf das gemeinsame Lernen. Ein rein leistungsorientiertes, autoritäres Schulsystem widerspricht den Bildungszielen der UN-Kinderrechtskonvention. Kinder haben einen Anspruch auf gute und kindgerechte Bildung, egal, woher sie kommen. Kindgerechte Bildung bedeutet nach der UN-Kinderrechtskonvention, dass Bildung auf die Entfaltung der Persönlichkeit ausgerichtet ist. Zudem sollen Kinder die Achtung der Menschenrechte lernen, sowie die Wertschätzung der eigenen und fremder Kulturen. Autoritäre Schulen, wie die AfD sie fordert, stehen der UN-Kinderrechtskonvention entgegen.
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[5] Presesmitteilung AfD Bundestagsfraktion, Götz Frömming, schulpolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Berlin, 18. März 2024, zu Berichten über deutlich zunehmende Gewalt an deutschen Schulen, afdbundestag.de/goetz-froemming-ursachen-zunehmender-gewalt-an-schulen-bekaempfen/, zuletzt abgerufen am 06.08.2024 (im Folgenden: „Frömming“).

 

4. Die AfD-Brandenburg möchte eine Migrationsobergrenze für Schulen einführen.

(Stand: 11.11.2024)

Die AfD in Brandenburg sagt: „Wir wollen den Migrationsanteil an Schulen in öffentlicher Trägerschaft auf maximal zehn Prozent deckeln und das Prinzip Deutsch vor Regelbeschulung einführen.“6

Wir meinen: Das geht an der Grundproblematik unseres Bildungssystems vorbei. Unser Schulsystem muss für alle Kinder verbessert werden, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Der Bildungserfolg in Deutschland hängt stark von der sozialen Herkunft und nicht den Fähigkeiten der einzelnen Schüler*innen ab.7 Zugewanderte Kinder werden im deutschen Bildungssystem häufig benachteiligt. Beides ist ungerecht. Die Forderung nach einer Migrationsobergrenze für Schulen löst das Problem nicht. Zugang zu Bildung und Förderung der persönlichen Entwicklung ist ein Grund- und Menschenrecht, das für alle Kinder gilt.
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[6] »Es ist Zeit für eine andere Politik. - Regierungsprogramm für Brandenburg der AfD für die Landtagswahl in Brandenburg 2024«, zuletzt abgerufen am 14.08.2024, S. 44.
[7] Ifo Institut, Pressemitteilung vom 18.04.2023, „Chancenmonitor 2023: Bildungschancen hängen stark vom Elternhaus ab“, www.ifo.de/pressemitteilung/2023-04-18/chancenmonitor-2023-bildungschancen-haengen-stark-vom-elternhaus-ab, zuletzt abgerufen am 08.10.2024; Annette Kuhn, „Wie sehr hängen Bildungsverläufe von der sozialen Herkunft ab?“, 19.05.2023, aktualisiert am 01.06.2023, Deutsches Schulportal der Robert Bosch Stiftung, deutsches-schulportal.de/bildungswesen/infografik-kai-maaz-von-welchen-faktoren-haengen-bildungsverlaeufe-ab/, zuletzt abgerufen am 08.10.2024.

5. Die AfD ist gegen die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.

(Stand: 11.11.2024)

„Wir wollen eine kinderfreundliche Gesellschaft als Staatsziel ins Grundgesetz aufnehmen. Das stärkt Familien und verpflichtet die Politik zu echter Familienfreundlichkeit – im Gegensatz zur Aufnahme von „Kinderrechten“ ins Grundgesetz, die dem Staat nur „die Lufthoheit über den Kinderbetten“ sichern soll. Kinder sind schon jetzt Grundrechtsträger. Gesonderte „Kinderrechte“ schwächen deshalb nur die Elternrechte nach Art. 6 GG.“8

Wir meinen: Kinderfreundlich sind Gesellschaften nur, wenn sie Kindern eigene Rechte zugestehen. Es stimmt, dass Kinder schon jetzt Grundrechtsträger sind. Dennoch werden sie oft benachteiligt und ihre besonderen Bedürfnisse übersehen. Eine explizite Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz soll dafür sorgen, dass dies zukünftig nicht mehr der Fall ist, weil Kinderrechte dann sichtbarer Bestandteil der Verfassung sind. Das von der AfD vorgeschlagene Staatsziel einer kinderfreundlichen Gesellschaft ersetzt die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz nicht.
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[8] AfD-Bundestagswahlprogramm 2021, beschlossen auf dem 12. Bundesparteitag der AfD in Dresden, 10. bis 11. April 2021, zuletzt abgerufen am 14.08.2024, S. 108.

6. Die AfD ist gegen die Zusammenführung von Familien in Deutschland.

(Stand: 11.11.2024)

Wenn Familien auf der Flucht getrennt werden, kann es passieren, dass minderjährige Geflüchtete allein in Deutschland ankommen. Die AfD möchte diesen geflüchteten Kindern und Jugendlichen das Recht verwehren, mit ihren Eltern und Geschwistern in Deutschland zusammen zu leben.

Die Thüringen-AfD sagt: „Familienzusammenführungen für unbegleitete minderjährige Ausländer können in sicheren Drittstaaten außerhalb von Deutschland stattfinden.“9

Die Bundes-AfD vermutet außerdem einen Missbrauch, sie sagt:10

„Unbegleitete, angeblich minderjährige Ausländer (UMA) missbrauchen das Ausländer- und Asylrecht."11

Die AfD trägt mit ihren Äußerungen zur Bildung von Vorurteilen und Stigmatisierungen bei, die sich negativ auf die Integration von unbegleiteten Minderjährigen hier in Deutschland auswirken.

Wir meinen: Familien gehören zusammen! Unbegleitete minderjährige Geflüchtete müssen ein Recht auf Familienzusammenführung in Deutschland haben. Entsprechend sieht auch die UN-Kinderrechtskonvention vor, dass Anträge auf Einreise zwecks Familienzusammenführung wohlwollend, human und beschleunigt zu bearbeiten sind.
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[9] »Alles für Thüringen«, Wahlprogramm der AfD Thüringen zur Landtagswahl in Thüringen 2024, am 27. April 2024 durch den Landesparteitag verabschiedet, zuletzt abgerufen am 14.08.2024, S. 70
[10] »Programm für Deutschland – Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland«, beschlossen auf dem Bundesparteitag in Stuttgart am 30.04./01.05.2016, zuletzt abgerufen am 14.08.2024, S. 63; Webseite des AfD Bundesverbands, Themen & Positionen, Rubrik „Zuwanderung/Asyl – Keine weitere Einwanderung in die Sozialsysteme“, www.afd.de/zuwanderung-asyl/, zuletzt abgerufen am 09.08.2024.

[11] Webseite des AfD Bundesverbands, Themen & Positionen, Rubrik „Zuwanderung/Asyl – Die Kosten für Unbegleitete minderjährige Ausländer explodieren“, 2024, www.afd.de/zuwanderung-asyl/, zuletzt abgerufen am 09.08.2024.


Materialien

(Stand: 11.11.2024, das aktuelle Bundestagswahlprogramm ist noch nicht berücksichtigt)

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Ansicht der Plakate


Politische Forderungen, die Kinderrechten widersprechen? Was wir damit meinen

Im Herbst 2024 hat Terre des Hommes verschiedene Wahlpogramme, Veröffentlichungen und Forderungen der AfD unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Etliche Maßnahmen, die die AfD und ihre Landesverbände zu diesem Zeitpunkt offen vorgetragen hatten, verstoßen nach Auffassung von Terre des Hommes gegen die Kinderrechte, die sich aus der UN-Kinderrechtskonvention ergeben. Unsere Analyse zeigte klar, dass die Kinderrechte im Fall einer Umsetzung derartiger Forderungen in einer Reihe von Bereichen geschwächt würden. Ob es um den Ausschluss von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und mit Migrationshintergrund von der Regelschule geht, um die Einschränkung der sexuellen Selbstbestimmung oder um die Rückkehr zu einem autoritären Bildungssystem - wir sind der Meinung, eine solche Politik steht den Kinderrechten entgegen. 

Warum ging es hier um Forderungen der AfD?

Terre des Hommes ist gemäß seiner Satzung parteipolitisch neutral und deshalb weder für noch gegen eine bestimmte politische Partei. Allerdings äußern wir uns politisch, wenn unser Vereinszweck – die Verwirklichung und Förderung der Kinderrechte – betroffen ist. Wenn eine Partei kinderrechtsfeindliche Positionen vertritt oder vertreten hat, dann ist es unsere Aufgabe, darauf aufmerksam zu machen. In der Vergangenheit haben wir uns so bereits mit den Inhalten, Forderungen und Vorschlägen von verschiedenen Parteien auseinandersetzt. 


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