Philippinen: Friedenserziehung statt Polizeigewalt
Laut Menschenrechtsorganisationen hat der Anti-Drogen-Krieg auf den Philippinen seit 2016 mehr als 30.000 Tote gefordert, darunter über 140 Kinder. Auch die neue Regierung unter Präsident Marcos will diese Politik fortsetzen. Ralf Willinger, Kinderrechtsreferent bei Terre des Hommes, kennt ihre Opfer.
Ralf, wie laufen die Drogen-Razzien in Davao City ab?
Die Polizei kommt meist nachts und dringt schwer bewaffnet in die Häuser ein. Dabei passieren viele Irrtümer: Ein zwölfjähriges Kind wurde erschossen, weil es genauso hieß wie ein 30-jähriger Drogenhändler, den sie suchten. Die Mutter sagte den Polizisten, dass sie sich irren. Sie töteten den Jungen trotzdem. Die Polizei geht davon aus, dass alle im Viertel unter einer Decke stecken. Besonders Jugendliche müssen stets damit rechnen, ins Fadenkreuz zu geraten. Die Menschen leben hier in ständiger Angst und Unsicherheit.
Werden Verantwortliche der Polizei zur Rechenschaft gezogen?
Das ist schwierig. Der frühere Präsident Duterte hat seine Gegner systematisch ausgeschaltet – auch Richter, die nicht seiner Linie folgten. Unsere Partnerorganisationen versuchen dennoch, die Täter nicht straflos davonkommen zu lassen. Sie dokumentieren Fälle und machen internationale Medien- und Lobbyarbeit. Immerhin ermittelt jetzt der Internationale Strafgerichtshof wegen der Polizeigewalt auf den Philippinen.
Wie sollte gegen Drogen-Kriminalität vorgegangen werden?
Anti-Drogen-Kriege sind nie erfolgreich – nicht in Brasilien, nicht in Kolumbien und nicht auf den Philippinen. Es ist eine Strategie von gestern, die sich als falsch erwiesen hat: Die Gewalt eskaliert, der Drogenhandel und die Zahl der Konsument*innen steigen. Stattdessen sind kontrollierter legaler Verkauf und Hilfsangebote für die Konsument*innen viel erfolgreicher.
Wie fördert Alay Mindanao gewaltfreie Konfliktlösung?
Die Kinder in Davao City wachsen mit Gewalt auf: Es gibt Polizeigewalt, Gewalt in der Familie und Gewalt in der Schule. Sie sollen lernen, dass es auch anders geht. In unserem Friedenshandbuch »Miteinander ohne Gewalt« zeigen wir ihnen verschiedene Wege, Konflikte gewaltfrei zu lösen.
Hilft das auch gegen Polizeigewalt?
Auch Polizisten sind Menschen, insofern kann es helfen, wenn man mit ihnen redet und ihnen deutlich macht: Auch die anderen haben Rechte und Gefühle. Unsere Partnerorganisation Alay Mindanao berät eine Witwengruppe. Und diese Frauen sagen es den Polizisten mutig ins Gesicht: »Ihr habt ein unschuldiges Kind getötet.« Tatsächlich zeigten sich viele Polizisten betroffen. »Wir waren das nicht, das waren die Spezialkommandos aus der Hauptstadt Manila«, haben sie gesagt. Sie sind jetzt vorsichtiger geworden.
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