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»Wichtig ist, dass die zentralen Akteur*innen endlich zusammenarbeiten und ihre Kräfte bündeln«

Natalie und Caleb setzen sich gegen Bleiabbau ein

Kabwe gilt als einer der giftigsten Orte der Welt – der Grund: hundert Jahre Bleiabbau. Viele der 200.000 Einwohner*innen haben hohe Bleiwerte im Blut, was unter anderem zu Erinnerungsverlust, Unfruchtbarkeit und Entwicklungsverzögerungen führen kann. Im Interview sprechen Natalie (18) und Caleb (22) über das Leben in einer vergifteten Stadt, über Ausreden von Politiker*innen und ihre Wünsche für künftige Generationen. 

Blei findet sich im Boden Kabwes, im Wasser und im Blut der Bewohner*innen, obwohl die Mine 1994 geschlossen wurde. Was wurde seitdem gegen die Vergiftung der Stadt getan? 

Natalie: Es gibt viele Leute, die sich zu dem Thema äußern, aber es passiert wenig. 

Caleb: Wenn man die Leute kennt, die etwas tun könnten, aber nichts tun, dann ist das sehr schmerzhaft. Wir kommen mit strategischen Maßnahmen – die Politiker*innen antworten mit Ausreden. Natalie hatte an einem Runden Tisch teilgenommen. Da hieß es, Kabwe solle eine grüne Stadt werden. Spätestens im Juli 2023 solle es losgehen mit den Reinigungsarbeiten, um die kontaminierte Erde abzutragen. Bis heute ist nichts passiert. Wenn die Politiker*innen weiterhin immer nur Sitzungen abhalten und das Problem nicht mal ansatzweise angehen, werden wir zu einem Museum der Sitzungen. Dabei sitzen wir in Kabwe auf einer tickenden Zeitbombe. Wie lange soll das so weitergehen? 

Natalie: Wenn Kinder zu hohe Bleiwerte im Blut haben, bekommen sie Medikamente. Einige von ihnen dürfen dann nicht zur Schule gehen, weil auch viele Schulhöfe kontaminiert sind. Dabei verpassen sie wichtigen Lernstoff. Und nach der Behandlung sind sie ja doch wieder dem Gift ausgesetzt.

Caleb: Auch bei mir wurden zu hohe Werte festgestellt. Da war ich sieben. Ich konnte zwar zur Schule gehen, aber nach der Schule durfte ich ein Jahr lang nicht mit meinen Freunden auf der Straße spielen. Dann wurden die Werte besser und wir zogen um – in ein weniger kontaminiertes Viertel.  

Trotzdem wird weiter Blei abgebaut. 

Caleb: Es gibt zu wenig Arbeit in Kabwe. Deswegen schürfen vor allem junge Menschen, aber auch Mütter, Blei. Auch Zink, Cobalt und Dolomit bauen sie ab. Dolomit wird zum Bauen genutzt. Die Steine sind kontaminieren und bringen neues Blei in die Wohngebiete. Die Schürfer*innen selbst arbeiten ohne Schutz. Auch sie tragen den giftigen Staub in ihren Kleidern in die Stadt. Wir versuchen, mit ihnen über das Gift zu sprechen und zu erfahren, wie sie über andere Arbeitsmöglichkeiten denken. Aber viele sind uns gegenüber feindselig eingestellt. Bei einem unserer Besuche drohten sie, uns mit Steinen zu bewerfen. Sie haben Angst, dass die Minen geschlossen werden und sie dann kein Einkommen mehr haben. 

Im Oktober 2020 haben Rechtsanwält*innen im Namen von über 100.000 Kindern und Frauen Klage gegen Anglo American South Africa eingereicht. Der Konzern betrieb in Kabwe viele Jahre lang die größte Bleimine der Welt. Die Gruppe fordert unter anderem die Sanierung der kontaminierten Gebiete. Noch ist das Verfahren nicht beendet. Trotzdem schon einmal die Frage: Was bedeutet es für Kabwe? 

Natalie: Es bringt die Chance auf Gerechtigkeit für so viele Kinder, Mütter, Eltern, die betroffen sind. Wie sehr haben die Menschen in Kabwe im Stillen gelitten. Und jetzt trägt das Verfahren ihre Stimmen an die Öffentlichkeit. 

Als Mitglieder von Environment Africa klärt über die Gefahr, die vom Blei ausgeht, auf. Wie macht ihr das?     

Natalie: Viele Menschen sind sich der Gefahr nicht bewusst. Deshalb verteilen wir Flyer und informiere darüber, wie man sich vor dem giftigen Bleistaub schützen kann. Wir organisieren Workshops und gehen in Schulen. Die Bleivergiftung ist ein riesiges Umweltproblem, aber nicht das einzige: Auch Abholzung und fehlende Müllentsorgungssysteme belasten unsere Umwelt stark. Der Müll liegt überall herum und verstopft Abwasserkanäle. Das verschlimmert die Überschwemmungen bei Starkregen, der als Folge des Klimawandels immer öfter auftritt – ebenso wie Dürren. 

Was ist euer Wunsch für künftige Generationen? 

Natalie: Im Kabwe Youth Network habe ich gesehen, was wir gemeinsam erreichen können. Ich würde mich freuen, wenn noch mehr junge Menschen Teil des Wandels würden. Von unseren Politiker*innen erwarte ich, dass sie Kinder und Jugendliche in die Entscheidungsprozesse einbinden. Junge Leute haben so viele Ideen, so viele Fähigkeiten, aber sie bekommen kaum die Chance, sich einzubringen. 

Caleb: Meine Hoffnung für die künftige Generation ist, dass sie in einer Umwelt leben kann, die das menschliche Leben nicht bedroht. Ich möchte nicht, dass künftige Generationen mit diesen verheerenden Auswirkungen von Blei konfrontiert werden. Außerdem würde ich gerne sehen, dass mehr junge Menschen der Umwelt etwas zurückgeben und die Tatsache anerkennen, dass wir nur eine Erde haben. Wenn wir sie nicht mit Respekt behandeln, werden wir aussterben. 

18.10.2023