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Elektronik, Autos, Kosmetik

Mica: Kaum bekannt, in vielen Produkten enthalten

Das Mineral Mica ist kaum jemandem bekannt, doch in sehr vielen Produkten enthalten: Autos, Handys und Computer, Haushaltsgeräte, Kosmetik, Farben und Lacke.

Mica wird in 35 Ländern geschürft, darunter Industriestaaten wie Kanada, Finnland oder Russland. Große Mica-Exporteure sind China und Indien. Für Indien liegen ausführliche Studien zu der Arbeitssituation in den Abbaugebieten vor: Kinderarbeit beim Mica-Abbau ist weit verbreitet: terre des hommes hat in den Bundesstaaten Jharkhand und Bihar mehr als 30.000 Kinder gefunden, die nicht zur Schule gehen und stattdessen Mica schürfen. 

Weitere menschenrechtliche Risiken beim Abbau von Mica: Fehlen jeglicher Maßnahmen zur Arbeitssicherheit, keinerlei soziale Sicherung, Niedrigpreise, die stark schwanken können. 

Was ist Mica? 

Mica umfasst eine Gruppe von 37 Mineralien, die auch als Glimmer bekannt sind. Die Wirtschaft verwendet die Sorten Muscovit und Phlogopit am häufigsten. Mica wird in unzähligen Produkten für unterschiedliche Zwecke genutzt: Denn es isoliert Hitze und Strom, verstärkt Stoffe, schimmert. Meist ist es nur in kleinen und kleinsten Mengen in den Produkten enthalten. So sagten Autohersteller terre des hommes, dass Mica zwar in vielen Autoteilen enthalten sei, aber insgesamt nur 0,1 Prozent eines Autos ausmache (terre des hommes-Recherche). 

In welchen Produkten ist Mica enthalten?   

  • Bauindustrie: Fugenmasse, Gipsplatten 
  • Kosmetik und Körperpflege: Lidschatten, Lippenstift, Rouge, Body Glitter, Nagellack, Shampoo, Zahnpasta und in Produkten für Kinder, wie Badeseife, Duschgel und Kinderzahnpasta (siehe hierzu auch: Problematisches Mineral für Glitzerkosmetik – Kinderarbeit inklusive) 
  • Plastik: als Füllstoff und als Glimmer in schimmerndem Plastik 
  • Farben und Lacke für Autos, Flugzeuge und Boote 
  • Ölindustrie: Füllstoff für die Wände von Bohrlöchern Autos: Für schimmernde Effekte ist Mica in Lacken enthalten, als Füllstoff und Isolator in Kabeln, Stoßstangen, Armaturenbrettern, Spiegelabdeckungen
  • Elektro- und Haushaltsgeräte: Handys, Computer, Bügeleisen, Kaffeemaschinen, Toaster, dimmbare Lichtschalter, elektrische Heizöfen usw. (Mica in Halbleitern, Lithium-Ionen-Batterien, Platinen, Kabeln) 

Gibt es Alternativen für Verbraucher*Innen?

Konsument*innen haben keine Chance, zu erkennen, ob das Mica in einem Produkt aus Ländern kommt, in denen es von Kindern geschürft wird. Bei komplexen Produkten, wie elektronischen Geräten oder Autos können Konsument*innen nicht einmal feststellen, ob und in welchen Bestandteilen Mica enthalten ist. In der Zutatenliste von Kosmetika oder Zahnpasta findet sich ein Hinweis auf den Inhaltsstoff Mica - ob es sich dabei um Mica aus einem bestimmten Land handelt oder es unter fairen Bedingungen geschürft wurde, ist nicht zu erkennen.

terre des hommes bittet Verbraucher*innen, bei Herstellern oder Handel nachzufragen. Melden Sie sich über das Kontaktformular auf der Webseite eines Unternehmens oder über die Accounts der Unternehmen in den Sozialen Medien: Enthält ein Produkt Mica? Wo kommt es her? Stellt das Unternehmen sicher, das keine Kinder ausgebeutet werden? Beteiligt es sich an der Responsible Mica Initiative?

Ein Hinweis auf das Engagement von Unternehmen ist ihre Mitgliedschaft in der Responsible Mica Initiative. terre des hommes hat die internationale Initiative im Jahr 2017 mitgegründet. Die RMI hat sich zum Ziel gesetzt, Kinderarbeit in den Mica-Lieferketten zu beenden: gemeinsam setzen sich Unternehmen, Verbände und Hilfsorganisationen dafür ein, die Lieferkette transparent zu machen und grundlegende Arbeitsrechte umzusetzen. RMI unterstützt Gemeinden, die Mica abbauen und will rechtliche Grundlagen verbessern. Zurzeit beteiligen sich bereits 70 Unternehmen.

Wie ist die Situation in den Mica-Abbaugebieten in Indien?

Mica wird in mehreren Bundesstaaten abgebaut. Studien von terre des hommes haben die Situation in Bihar und Jharkhand beleuchtet, zwei der ärmsten Bundesstaaten des Landes. Nach Schätzungen lokaler Organisationen sind dort Menschen in 800 Dörfern vom Mica Abbau abhängig. Vor der Covid-19-Pandemie arbeiteten etwa 22.000 Kinder. Aktuell beobachten lokale Organisationen deutlich mehr Kinder im Mica Abbau: in Folge der Lockdowns aufgrund der Covid-19-Pandemie sind Schulen geschlossen und Schulspeisungen fallen aus. Vielfach fällt die Unterstützung durch Familienmitglieder weg, die in anderen Regionen des Landes als Tagelöhner*in arbeiten.

In dieser existenzbedrohenden Situation werden die Familien weiter ausgenutzt: vor der Pandemie konnte eine Familie etwa 100 Indische Rupien durch den Verkauf ihrer Mica-Tagesproduktion erzielen – umgerechnet etwa 1,10 Euro. Damit liegt der Verdienst weit unterhalb der Armutsgrenze von 1,90 Dollar pro Tag und Person. Zurzeit nutzen Aufkäufer die Not und zahlen noch weniger.

Die jüngsten Kinder, die Mica schürfen, sind vier Jahre alt. Sie arbeiten meist gemeinsam mit ihren Eltern. Weil es keinerlei Möglichkeit der Betreuung kleinerer Kinder gibt, sind Mütter gezwungen, auch Säuglinge und Kleinkinder mit zur Arbeit zu nehmen und sie Hitze und Staub auszusetzen. Die Arbeitsbedingungen sind gefährlich: Kinder arbeiten bis zu zwölf Stunden und schürfen Mica oder sortieren es nach Größe. Das Mica wird aus selbst gegrabenen Löchern geholt. Einige dieser Löcher sind bis zu 20 Meter tief und nicht gesichert. Arbeitsunfälle – auch tödliche – sind häufig, denn die Schächte brechen ein oder laufen bei Regen mit Wasser voll, sodass Kinder verschüttet werden. Die Kinder leiden unter Erkrankungen der Atemwege, Staublunge und Verletzungen (Schnittwunden). Sie sind häufig dehydriert, weil sie während der Arbeit kein Wasser trinken können. Aufgrund der Lebensumstände ist eine hohe Zahl der Kinder anämisch und unterernährt. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose sind verbreitet.

Die Lebensbedingungen der Familien und Gemeinden sind von multidimensionaler Armut geprägt. In Bihar, dem drittgrößten Bundesstaat Indiens, leben rund 40 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze von 1,90 Dollar pro Tag, in Jharkhand sind es 39 Prozent. Jedes fünfte Kind - rund 20 Prozent - unter fünf Jahren ist unterernährt. Auch die Bildungschancen sind gering: terre des hommes fand bei einer Stichprobe in 14 Dörfern nur 1.800 Kinder, die eine Schule besuchten, während 10.000 Kinder im schulfähigen Altern arbeiteten und nicht zur Schule gingen.

Bihar und Jharkhand verfügen über 40 Prozent von Indiens Bodenschätzen und liefern unter anderem etwa 30 Prozent des weltweit verbrauchten Micas. Mica wird allerdings illegal abgebaut, die Minen unterliegen keinerlei Kontrolle: eine Folge des Gesetzes zur Limitierung von Abholzungen aus dem Jahr 1980. Damals entzog die Regierung Bergbauunternehmen die Lizenzen, um den Wald zu schützen. Doch die Mica-Förderung ging weiter, illegal, ohne jegliche staatliche Regulierung oder Kontrolle und mit zum Teil undurchschaubaren und mafiösen Geschäftsbeziehungen zwischen Aufkäufern und Abnehmern.

Alternative Einkommensmöglichkeiten sind armen Familien nicht zugänglich: die Landwirtschaft wirft wegen der anhaltenden Trockenheit kaum etwas ab. Zudem fehlt es an Bildung, um in anderen Sektoren Einkommen zu erzielen. Es bleiben entweder das Schürfen von Mica oder die Migration in die Städte und Industriezentren des Landes.

Weitere Exportländer:

Auch in Madagaskar arbeiten nachweislich Kinder beim Abbau von Mica. Bei einer Erhebung von terre des hommes Niederlande im Jahr 2019 fanden die Forscher*innen in 14 Minen im Süden des Landes Kinder: sie arbeiteten gemeinsam mit ihren Familien. Während die Väter Schächte aushoben und zum Teil verzweigte Tunnelsysteme anlegten, heben Kinder und Frauen das Mica auf die Oberfläche und sortieren es. Auch hier besteht erhebliche Unfallgefahr, da die Menschen ohne professionelle Ausrüstung und Absicherung arbeiten. Je nach Qualität des Mica zahlen Aufkäufer für den Tagesertrag eines Erwachsenen zwischen 27 Cent und drei US-Dollar.

Das Risiko der Kinderarbeit beim Abbau von Mica besteht auch in Brasilien und China, hier liegen bis heute allerdings keine Studien oder andere Belege vor.

Was tut terre des hommes?

In 100 Dörfern in den Mica-Abbaugebieten in Indien sorgt terre des hommes dafür, dass alle Kinder zur Schule gehen können und vor allem Frauen ausgebildet werden, damit sie sich andere Einkommensquellen erschließen. Zurzeit arbeiten unsere Projektpartner mit 2.700 Kindern und Jugendlichen und 600 Frauen. Damit sich die Situation langfristig verbessert, fordern wir in Indien, dass die Mica-Minen legalisiert werden. Dann müssen die zuständigen Behörden die Minen und die Arbeitsbedingungen kontrollieren und überwachen, dass keine Kinder dort arbeiten und Erwachsene Mindestlöhne und soziale Absicherung erhalten. Ebenso wichtig ist es, dass alle Kinder der Region zur Schule gehen: Deshalb müssen Regierungsprogramme für arme Familien umgesetzt werden. Schulen müssen besser ausgestattet werden, damit alle Kinder im schulfähigen Alter erreicht werden. Kinder aus armen Familien müssen in den Genuss kostenloser Schulspeisungen, regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen und medizinischer Versorgung kommen.

terre des hommes arbeitet aktiv in der RMI mit und fordert Hersteller und Handel auf, der RMI beizutreten und verantwortlich zu handeln.

 

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