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»Wir sind da, egal was ist«

Musik mit Kindern aus Syrien

Irbed, Jordanien. Ein ehemaliges Warenlager, die hohen weißen Wände sind jetzt mit bunten Comicfiguren bemalt. Ein paar Plastikstühle. Und Musik. Die syrische Sängerin Dima Orsho ist gekommen. Jetzt hören ihr 40 Kinder zu, alle um die zwölf Jahre alt. Nur kurz überwiegt die Scheu, dann stimmen Mädchen und Jungen ein. Dima ermutigt, hört sich Wünsche an und singt die Lieblingslieder. Und schon springen zwei Jungen auf, um zu zeigen, was sie können: einen Rap. Freunde, die sich nicht recht trauen, werden beim Namen gerufen, bis sie mitmachen. Großzügigster Applaus belohnt die Mutigen. Drei Mädchen stehen auf, vor Aufregung versagt ihnen fast die Stimme. Macht nichts. Die anderen im Raum singen eben etwas lauter und tragen die Freundinnen mit.

Am nächsten Tag kommen der Klarinettist Kinan Azmeh, auch er Syrer und schon lange in den USA, und der deutsche Akkordeonist Manfred Leuchter dazu. Die drei widmen ein paar Tage der Musik mit Kindern, zwischen Konzerten in Beirut und Amman. Sicher sind die Musiker es gewöhnt, bei ihren Konzerten strahlende Gesichter zu sehen. Vielleicht aber haben sie selten ein Publikum, das ein paar Momente des Glücks so nötig hat.

Die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder

terre des hommes betreut in Jordanien 6.540 syrische Flüchtlingskinder und ihre Familien. Nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge lebt in Lagern, die meisten wohnen in Städten und Gemeinden. Allein die 500.000 Einwohner Stadt Irbed beherbergt 120.000 Flüchtlinge. Die Hälfte davon sind Kinder. »Wir sorgen dafür, dass sie sich besser fühlen«, sagt Jasmine schlicht. Die junge Jordanierin ist Kinderpsychologin und arbeitet mit den Kindern, aber auch mit den Eltern und Betreuern. Die Kinder im terre des hommes-Projekt haben fast alle Vater oder Mutter verloren. Sie haben den Krieg gesehen, Angst vor Bomben und Scharfschützen. Menschen, die verletzt und getötet werden. Menschen, die töten. »Wenn sie bei uns ankommen, sind sie völlig verstört, manche sind sehr unruhig, andere ziehen sich völlig in sich selbst zurück«, erzählt Jasmine. »Sie trauen sich nichts mehr zu und fühlen sich ohnmächtig, viele sind wütend. Sie können nicht verstehen, warum sie so viel erleiden müssen.« In Jordanien sind die Kinder in Sicherheit und können zur Schule gehen, die Schulen arbeiten inzwischen in Doppelschichten. Neue Sorgen drücken: Die Lebensmittelgutscheine der UN reichen nicht für den ganzen Monat. Die Eltern dürfen nicht arbeiten. Familien leben in völlig überfüllten Zimmern. Und wer weiß, wie es der Oma oder den Freunden geht, die zurück geblieben sind.

»Sich besser fühlen«

Im terre des hommes-Zentrum ist Platz zum Spielen. Gemeinsam fällt es leichter, für die neue Schule zu lernen. Mittags gibt es warmes Essen. »Wir zeigen den Kindern, dass sie in Ordnung sind, so wie sie sind«, sagt Jasmine. »Denn es ist völlig normal, dass sie so reagieren. Wir vermitteln ihnen, dass all diese bedrückenden Gefühle sie nicht zerreißen werden. Wir sind da, ganz egal, was ist.« Spielen, zusammen lachen, jemandem seine Sorgen und Ängste erzählen können, neue Freunde finden, etwas gestalten – das alles stärkt die Widerstandskraft der Kinder um mit den großen Verlusten und in den neuen Verhältnissen leben zu lernen.

Nichts besser als Musik: Kinan Azmeh hat 30 Blockflöten mitgebracht. Allen Warnungen zum Trotz, dass Kinder, die noch nie Blockflöte gespielt haben, nur großen schrillen Krach produzieren werden. Azmeh verteilt die Flöten in einer Jungengruppe und bittet sein neues Orchester, sich um ihn zu sammeln. Nach einer knappen Stunde das erste Konzert: Die ganze Gruppe kann die Noten C und A spielen, die Kuckucks-Terz. Und zwar unisono. Azmeh windet mit der Klarinette eine Melodie herum. Großer Applaus und 30 Jungen verbeugen sich stolz und freudestrahlend. Nachmittags kommen Kleinkinder mit ihren Müttern. Die Frauen wiegen Babys und schieben sanft Kinder in die Mitte, die noch gefangen sind zwischen dem Wunsch, mitzumachen und der Scheu, von Mamas Seite zu weichen. Die drei Musiker spielen Kinderlieder, kleine Sing- und Tanzspiele. »Bruder Jakob« ist auch im Arabischen bekannt. Die Mütter sitzen stumm, junge Frauen, viele von Trauer und Schrecken gezeichnet. Am Ende singt Dima Orsho eines der vielen Volkslieder über die Liebe. Da stimmen die Frauen mit ein, manche lächeln, manchen laufen die Tränen.

Barbara Küppers

Die Initiative konnte in Zusammenarbeit mit dem Morgenland Festival Osnabrück und mit Unterstützung des Vereins der Förderer des Festivals verwirklicht werden. Alle Beteiligten haben kostenlos gearbeitet.

 

Weitere Informationen:

 

11.06.2014

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