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»Die Kinder brauchen dringend ein wenig Normalität«

Interview mit Jürgen Wellner, Koordinator der Terre des hommes-Programme für syrische Flüchtlinge in Jordanien und Libanon, Amman

Terre des hommes hilft in Jordanien und dem Libanon syrischen Flüchtlingskindern und ihren Familien. Was brauchen die Kinder am dringendsten?

Die Sicherung der physischen Minimalbedürfnisse hat natürlich zunächst Vorrang. Damit ist es aber nicht getan. Die Kinder, die vor dem Krieg in Syrien flüchten, leiden vor allem an den psychischen Auswirkungen des Erlebten, denn fast alle haben Schreckliches mitansehen müssen. Kinder haben uns geschildert, wie ihr Haus zusammenbrach und die Großeltern in den Trümmern zurückgelassen werden mussten, oder wie Eltern oder Brüder vor ihren Augen erschossen wurden. Was diese Kinder nach ihrer Flucht am dringendsten brauchen ist Normalität. Jeden Tag in die Schule zu gehen, zu lernen anderen Menschen wieder zu vertrauen, mit anderen Kinder zu spielen und ein sicheres Umfeld zu haben in dem sie Kind sein können. Terre des hommes hilft ihnen durch psychosoziale Unterstützung, diese Normalität möglichst rasch wiederzufinden. 

Sie sprechen von psychosozialer Unterstützung für die Kinder. Wie muss man sich das – gerade in der unübersichtlichen Situation der großen Flüchtlingslager – konkret vorstellen?  

Wenn man an Flüchtlinge denkt, stellt man sich automatisch auch Flüchtlingslager vor. Die meisten syrischen Flüchtlinge in Jordanien und Libanon leben aber nicht in einem Lager, sondern in Gemeinden, in Wohnungen oder behelfsmäßigen Unterkünften. Das macht die Arbeit für Hilfsorganisationen unübersichtlicher als in den Lagern, da es schwieriger ist, Flüchtlinge zu identifizieren und ihnen Hilfe zukommen zu lassen. Wir arbeiten im Wesentlichen innerhalb der Gemeinden, unterstützen aber auch Kinder in jordanischen Lagern.

Mit unseren psychosozialen Maßnahmen versuchen wir, Flüchtlingskinder aus ihrer Isolation in den Familien herauszuholen, ihnen Gelegenheit zu bieten, mit anderen Kindern zusammenzukommen, zu toben, zu lernen, zu spielen und das in Syrien Erlebte zu verarbeiten. Wir organisieren die Kinder in Gruppen und schaffen Gemeinsamkeit und Vertrauen, zum Beispiel durch Rollenspiele und Theater, in denen Kinder Gefühle von Angst und Bedrohung darstellen und überwinden und die entsprechenden Geschichten mit einem Happy End versehen können, oder durch Malerei oder andere Formen von Kunst. Die Kinder und Jugendlichen lernen in unserem Programm auch ganz alltägliche Dinge, etwa wie man sich in der neuen Umgebung zurechtfindet. Für die Älteren gibt es daneben auch Angebote zum Erlernen von handwerklichen Fähigkeiten.

Manchmal stoßen wir dabei auf  Kinder, die besondere Aufmerksamkeit und gezieltere Hilfe brauchen. Diese leisten wir dann entweder selbst oder vermitteln die Kinder an Organisationen, die besonders auf die Behandlung psychiatrischer oder medizinischer Probleme spezialisiert sind.

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