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Berlin: Polizeigewalt in Brasilien und deutsche Waffenexporte

Die Gewalt von Polizei und Militär hat in Brasilien dramatische Ausmaße angenommen. 2021 starben dadurch 6.145 Menschen – vermutlich mehr als in jedem anderen Land. Im Kreuzfeuer der staatlichen Gewalt sind Menschen in Favelas und städtischen Randgebieten. Wohnhäuser werden mit Kugeln durchsiebt, Schulen, Kindergärten und Gesundheitszentren müssen wochenlang schließen. In manchen Vierteln wird jeder zweite gewaltsame Todesfall durch die Polizei verursacht.

Viele der Waffen, die bei schweren Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden, kommen aus Deutschland. 2021 erhielt Brasilien deutsche Rüstungsgüter im Wert von 143 Millionen Euro – obwohl nach europäischem Recht in Länder mit schweren Menschenrechtsverletzungen keine Rüstungsgüter geliefert werden dürfen.

Am 27. Juni fand im Berliner Veranstaltungszentrum »aquarium« eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema statt. Mit dabei: Neia Bueno (Kinderrechtsorganisation Meninos e Meninas de Rua, São Paulo), Gabriel Feltran (Soziologe, Buchautor, Universidade Federal de São Carlos, Brasilien, aktuell Gastprofessur in Paris) und Ralf Willinger, terre des hommes-Experte für Kinderrechte und Friedenskultur. Im Fokus standen Fragen wie: Wie ist die Situation vor Ort, insbesondere für Kinder und Jugendliche? Wie kann der Kreislauf der Gewalt gestoppt werden? Und was können Menschen in Deutschland dazu beitragen?

»Die Polizei in Brasilien ist nicht vergleichbar mit der Polizei in Europa. Sie dient nicht dem Schutz der Bevölkerung, sondern verteidigt den Besitz der Reichen mit massiver Gewalt und sieht die arme Bevölkerung als Feinde,« konstatierte etwa Gabriel Feltran, »Dabei ist die Militärpolizei besonders brutal und mordet mehr, die Zivilpolizei ist besonders korrupt, viele Polizist*innen arbeiten mit dem organisierten Verbrechen zusammen. Die Gefängnisse des Landes quellen über, es gibt 900.000 Inhaftierte. Aber das alles bringt nichts, denn sowohl die Analyse als auch der Lösungsansatz sind falsch: Wenn ein junger Mann ermordet oder inhaftiert wird, der Angestellter eines illegalen Marktes wie dem Handel mit Drogen, Waffen oder geklauten Autos ist, ersetzt ihn ein anderer.«

Im Verlauf der Debatte formulierten die Teilnehmenden insgesamt fünf zentrale Forderungen, um die Situation für Kinder und Familien in Brasilien zu verbessern:

  1. Stopp aller deutschen und europäischen Rüstungsexporte nach Brasilien, keine weiteren Exportgenehmigungen.
  2. Stopp des Transfers von Rüstungstechnologie und -fachwissen, keine weiteren Exportgenehmigungen mehr durch Bundesregierung.
  3. Stopp des Verkaufs von Waffen und Rüstungsgütern durch deutsche und europäische Unternehmen in Brasilien.
  4. Einhaltung von Menschen- und Völkerrecht einfordern - Sanktionen bei Nicht-Einhaltung. 
  5. Maßnahmen zum Stopp der Gewalt von Polizei und Militär einfordern und fördern: U.a. Fall-Dokumentation, Untersuchung & Strafverfolgung gewalttätiger Polizist*innen und Militärs, Trainings, Schutz der Opfer und Zeugen, Bodycams für Polizist*innen.

Nicht weniger wichtig ist die der Kampf gegen Armut und strukturelle Ungleichheit, die Kinder und Jugendliche erst in die Nähe krimineller Milieus zwingen und damit den Zyklus der Gewalt weiter antreiben:

»Wenn wir über Frieden und ein Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen in Brasilien reden, müssen wir auch immer über die sozialen Fragen und Armut reden. In Brasilien gibt es 33 Millionen Menschen, die hungern, darunter viele Kinder und Jugendliche. Brasilien ist ein reiches Land, aber der Reichtum ist sehr ungleich verteilt. Dies muss verändert werden, die sozialen Probleme und Ungerechtigkeiten müssen anerkannt und gelöst werden und das Recht auf Leben muss geachtet werden, damit es in Brasilien Frieden geben kann. Dafür setzen wir uns in unserer Arbeit ein und unterstützen und stärken Kinder und Jugendliche mit Kultur, Sport und Bildung und dem Einsatz für Menschenrechte und Frieden.«

Neben der politischen Arbeit in Deutschland und Europa setzt sich terre des hommes daher auch weiterhin in Projekten vor Ort für Kinder ein, insbesondere in den Bereichen Bildung, Ökologie und Child Empowerment: Informationen zu unserem Engagement in Brasilien finden Sie auf unserer Länder-Seite.

Weitere Informationen zur Polizeigewalt in Brasilien finden Sie auch in unserer Studie »Hört auf uns zu töten! Polizeigewalt gegen Kinder und Jugendliche in Brasilien und Waffenhandel« von terre des hommes Deutschland, terre des hommes Schweiz und dem Instituto Sou da Paz (Brasilien).

Foto: © terre des hommes

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