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Auf dem Watunakuy

So langsam haben wir uns an das frühe Austehen gewöhnt, und so nehmen wir die Abfahrt unseres Busses um 6 Uhr morgens eher gelassen. Schließlich geht es zum Watunakuy, einer zweitägigen Zeremonie der indigenen Bevölkerung. Sie findet am letzten Vollmond vor der Sonnenwende statt und entspricht zum einen dem Erntedankfest, zum anderen Neujahr, beginnt doch mit der Segnung der Samen das Ackerjahr von Neuem. Auf dem Fest huldigen die Indigenen Mutter Erde und Vater Sonne und der Vielfalt der Natur. Samen werden rituell ausgetauscht, um ihre Vielfalt und Vermehrung und damit die Ernährungsbasis der Landbevölkerung zu sichern.

Das Fest erinnert an ein hiesiges Volksfest. Familien und Schulklassen packen ihre Sämereien und auch große Picknickkörbe aus. Einge ordnen die Samen auf großen Laden verziert mit Blumen und Kokablättern wunderhübsch an, andere breiten bunte Tücher auf der Festwiese aus, auf denen sie Kartoffeln, Mais und andere Erzeugnisse präsentieren. Die Kinder sind aufgedreht und finden uns fremdländischen Gäste ausgesprochen interessant. Sie bringen kleine Geschenke wie Popcorn und Orangen, die wir mit dem Gegengeschenk von Blumen vergelten.

Auch Klotilde, Lehrerin in Sicuani, ist mit ihrer Schulklasse gekommen. terre des hommes hat ihre Schule bei der Einführung des zweisprachigen Unterrichts in Spanisch und Quetschua unterstützt, und sie möchte uns stolz die Früchte dieser Arbeit präsentieren. Das Ritual beginnt mit der Segnung der verschiedenen Sämereien. Sie werden in den Kreis der Zuschauer gebracht und dort mit Blumenessenz besprengt und mit Weihrauch bedampft. Danach können die Menschen bei den Priestern der Zeremonie Fürbitte halten. Etliche kommen dem nach und wir sehen verwundert, dass sie sich vor und nach der Prozedur bekreuzigen. Ein Teil der Tänzer und Priester trägt auch einige christliche Symbole. Und ein kleiner Klappaltar mit dem Symbol des christlichen heiligen Geistes, vor dem sich die Leute verbeugen, steht vor der großen Opferlade. Diese friedliche Verschmelzung von altem und neuem Glauben scheint uns ein wunderbares Modell. Wir denken wehmütigan die vielen religiös motivierten Konflikte auf der Welt und hoffen, dass sich andere an dieser Form des gegenseitigen Respekts und der Gemeinsamkeit ein Beispiel nehmen.

Nach dem ersten spirituellen Teil des Festes stehen Tanzdarbietungen der teilnehmenden Schulen auf dem Programm. Nach etlichen Stunden in der prallen Sonne sind wir ganz schön geschafft. Wir treffen im Verlauf des Festes immer wieder auf alte Freunde – Menschen, die sich für das Wohlergehen von Kindern einsetzen, und die wir auf unserer Reise getroffen haben.

Am späten Nachmittag verlassen die Kinder den Schauplatz und eine Prozession bricht zum nahegelegenen Inkatempel auf. Sie bringt die geschmückten Laden mit den Opfergaben und die Feldfrüchte, die gesegnet werden sollen, dorthin. Im Tempel findet dann eine weitere Zeremonie statt, bei der die Feldfrüchte im Mittelpunkt stehen. Wieder gibt es Weihrauch und Blumen-Essenzen. Diesmal dient das Ritual dazu, das alte Erntejahr zu beschließen und das neue zu beginnen. Alle umarmen sich gegenseitig, Freunde wie völlig Fremde, und wünschen sich ein gutes Neues Jahr. Im Anschluss daran tanzen wir bis zum Einbruch der Dunkelheit.

Während wir dann zu einem einfachen Hotel in der näheren Ungebung fahren, machen andere Teilnehmer ihre Zelte und Schlafsäcke klar. Sie werden die Nacht im Tempel verbringen und darauf aufpassen, dass Kerzen und Feuer in den Weihrauchschalen nicht verlöschen. Gilt es doch, Vater Sonne am nächsten Morgen mit allen Würden zu empfangen.

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