Verätzte Zukunft für Sambias Kinder
Den Anwohnern einer Glencore-Mine in Sambia bringt der Kupfer-Abbau vor allem Gesundheitsrisiken. Die Erkrankungen nehmen drastisch zu, auch bei Kindern. Eine Studie soll nun die Ursachen aufdecken.
Hörfunkbeitrag von Leonie March, Deutschlandradio »Wissen«
Tobias Schwab / Frankfurter Rundschau
Die Luft brennt. Im sambischen Mufulira treibt Wind einen feinen Säuredunst über den Zaun von Afrikas größter Kupferhütte Mopani direkt in die Township Butondo. »Das atmen wir hier täglich«, erregt sich Jakob Mlungu und zeigt auf die geröteten Augen und die verkrustete Nase seiner einjährigen Tochter Christine. »Unsere Kinder husten und wachen nachts mit Nasenbluten auf.«
Etwa 10.000 Menschen leben in Butondo in direkter Nachbarschaft zur Mopani Copper Mine (MCM), die zu 73 Prozent dem schweizerischen Rohstoff-Konzern Glencore gehört. Im sambischen Kupfergürtel fördert MCM nach eigenen Angaben jährlich mehr als 250.000 Tonnen des weltweit begehrten Rohstoffes, ohne den in der Elektronik-, Automobil- und Maschinenbaubranche nichts geht.
1,2 Milliarden Dollar Umsatz
Glencore brachte das im Jahr 2011 einen Umsatz von rund 1,2 Milliarden Dollar, den Menschen in Butondo vor allem ätzende Emissionen. Jakob zeigt auf die Dächer der Hütten. »Der saure Regen hat Löcher in das Wellblech gefressen«, sagt der 32-Jährige. Viel schlimmer sei es, dass auf Butondos Böden kaum noch etwas wachse, klagt der zweifache Familienvater. »Und unserem Trinkwasser trauen wir auch nicht mehr.«
Vor allem Schwefelsäure und Schwefeldioxid setzen den Menschen in Mufulira zu. Die Säure leitet Glencore im Untertagebau in Gesteinsschichten ein oder beregnet damit an der Oberfläche riesige Erzhalden, um das wertvolle Kupfer herauszulaugen. Das Schwefeldioxid (SO2) entsteht bei der Verhüttung des Kupfers zu Rohmetall. Einer Schätzung der Weltbank zufolge bläst allein die Mopani-Schmelze jährlich rund 140.000 Tonnen SO2 in den Himmel über Mufulira. Zum Vergleich: Das statistische Bundesamt bilanzierte für ganz Deutschland im Jahr 2010 Schwefeldioxid-Emissionen von zusammen 520.000 Tonnen.
»In Mufulira werden die ökologischen Rechte von Kindern eklatant missachtet«, stellt Fungai Dewere fest. »Wie sollen sich Kinder gesund entwickeln, wenn Luft, Wasser und Böden derart belastet sind?«, fragt der Programmkoordinator für Sambia und Simbabwe von terre des hommes. »Der Bergbau raubt ihnen ihre Zukunftschancen.«
An die Zukunft ihrer beiden Töchter wagen Jakob und seine Frau Shalon kaum zu denken, schon die nächste Nacht und der folgende Tag bereiten ihnen genug Sorgen. »Unsere Kinder sind sogar im Schlaf in Gefahr, am Nasenbluten könnten sie ersticken«, sagt Shalon. Die Zahl der Atemwegs- und Lungenerkrankungen bis hin zu Krebs sei seit Eröffnung der Kupferhütte im Jahr 2007 drastisch angestiegen, stellt Newton Chansa fest. Für den Sprecher des Komitees, das die Interessen der Minen-Anwohner vertritt, ist klar: »Das hat mit der Säure zu tun.«
Im Frühjahr dieses Jahres wurde es selbst der sambischen Umweltbehörde Zema zu viel. Nach massiven Beschwerden der Bewohner von Butondo ordnete Zema Anfang März eine Teilstilllegung der Mopani Copper Mine an. Wegen »exzessiver Emissionen von Säuredünsten«, wie es in der Verfügung hieß. »Für uns war die Stilllegung ein erster Erfolg«, sagt Chansa. Allerdings konnte die Berieselung der Erzhalde mit Säure schon nach wenigen Wochen unter Auflagen wieder starten. Glencore hatte mit dem Hinweis auf Umsatzverluste und bedrohte Jobs Druck gemacht.
Studie soll Klarheit bringen
»Aber es hat sich immerhin ein bisschen was getan«, sagt Newton Chansa und deutet am Werkszaun auf junge Bäume, die Mopani unter anderem pflanzen musste, um die Anlage abzuschirmen. Auch ein System wurde installiert, das die Säureberieselung automatisch stoppt, wenn der Wind Richtung Butondo dreht. Darüber hinaus ordnete die Umweltbehörde an, die Erzhalde künftig mit einer Plane abzudecken. Dem Komitee von Butondo reicht das aber noch lange nicht. »Wir spüren doch täglich am eigenen Leib, dass wir den Emissionen noch immer ausgesetzt sind«, sagt der Bürgerrechtler. Die elf Komitee-Mitglieder sitzen jetzt immerhin mit an einem Runden Tisch, um mit den lokalen Behörden, Umweltgruppen und Mopani-Managern zu verhandeln.
Alle warten nun mit Spannung auf die Ergebnisse einer Studie, die die sambische Regierung im Frühjahr angeordnet hat, um den Ursachen der gehäuften Erkrankungen auf den Grund zu gehen. Bis dahin will sich auch MCM nicht zu den Vorwürfen äußern. Doch die Ergebnisse, die eigentlich schon für November angekündigt waren, lassen auf sich warten. »Wo bleiben die?«, fragt Jakob Mlungu misstrauisch. Auch Peter Sinkamba, Direktor von »Citizens for a Better Environment« (CBE), ist gespannt auf die Ergebnisse. Die sambische Nichtregierungsorganisation kämpft seit 1998 für schärfere Umweltgesetze, dokumentiert die schmutzigen Folgen des Bergbaus und unterstützt Komitees wie das von Butondo, damit die Menschen vor Ort für ihre Rechte kämpfen können. »Es muss darum gehen, die gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse zu verbessern, damit die Menschen hier vom Bergbau profitieren und nicht nur unter ihm leiden«, sagt der CBE-Chef. Am besten sei es, die Nachbarn der Glencore-Mine umzusiedeln und die Kupfer-Produktion gleichzeitig internationalen Umweltstandards anzupassen.
Lieber heute als morgen würde Jakob Mlungu seine Habseligkeiten auf einen Karren laden und mit seiner Familie aus dem Dunstkreis der Mine fliehen. »Sollen sie mir doch Geld oder Arbeit geben, damit ich mir anderswo ein kleines Haus leisten kann«, sagt er.
Verluste trotz hohem Kupferpreis
Doch mit der Zahlungsbereitschaft von Mopani ist das so eine Sache. Trotz hoher Preise für den kostbaren Rohstoff Kupfer hat die Glencore-Tochter in den vergangenen Jahren nur Verluste ausgewiesen und deshalb keine Gewinnsteuern in Sambia gezahlt. Es wird offenbar schwer getrickst, wie die Rechnungsprüfungsgesellschaft Grant Thornton im Auftrag der sambischen Behörden feststellte: Mopani verkauft demnach bis zu 80 Prozent des in Mufulira geförderten Kupfers weit unter Wert an die Konzernmutter in der Schweiz, die den Rohstoff dann zu Weltmarktpreisen veräußert. »Wir sind ein so reiches Land«, sagt Newton Chansa mit Blick auf die Kupfervorkommen, »und profitieren nicht davon.«