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Berliner Straßenkinder entwerfen Designer-Kleidung

Die Hackeschen Höfe in Berlin-Mitte sind keine schlechte Adresse; angesagte Boutiquen reihen sich an trendige Lokale, Touristen flanieren durch die hübsch hergerichteten Innenhöfe. Der Laden des Modelabels »People Berlin« fügt sich nahtlos in die Umgebung ein, Kleider und Accessoires werden in einem schicken, minimalistischen Ambiente präsentiert. Doch People Berlin ist alles andere als ein normales Label. Die Kollektion entwerfen Jugendliche und junge Erwachsene, die von zu Hause abgehauen sind, die auf der Straße oder betreut wohnen, einige waren drogensüchtig oder machen eine Therapie. Bei People Berlin bekommen sie eine neue Chance.

Hinter People Berlin steht der Verein Karuna, der seit mehr als 20 Jahren für Straßenkinder und Jugendliche mit Suchtproblemen oder psychischer Erkrankung arbeitet. Ziel ist es, den jungen Menschen die Rückkehr zu einem selbstbestimmten Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Neben People Berlin betreibt Karuna beispielweise das Tageshilfe-Café Drugstop und richtet jährlich die »Straßenkinder-Konferenz« aus, mit der Straßenkinder bei Politik und Öffentlichkeit auf ihre Situation und ihre Bedürfnisse aufmerksam machen. Finanziell unterstützt wird People Berlin von terre des hommes und der Volkswagen Belegschaftsstiftung.

Konzeption und Teamarbeit
Kreatives Zentrum von People Berlin ist das Atelier in Friedrichshain. Dort kreieren etwa 20 »Straßen-Jugendliche« mit Unterstützung durch drei Modedesignerinnen in jedem Jahr eine Kollektion. In Workshops lernen die Jugendlichen konzeptionelles Arbeiten, Schnittmuster zu entwerfen und mit der Nähmaschine umzugehen. Sie lernen dabei, dass ihnen etwas zugetraut wird, dass ihnen jemand zuhört und sie ernst nimmt und wie sie sich in ein Team einbringen – alle mit ihren Fähigkeiten und abhängig von ihrer Tagesform.

Auch Mona* (Name geändert) arbeitet bei People Berlin. Sie kommt aus sehr schwierigen Familienverhältnissen, darüber sprechen möchte sie nicht. Die 18-Jährige macht derzeit eine Therapie und hat von einer Freundin von dem Angebot erfahren. Nun kommt sie regelmäßig hierher: »Ich will hier jetzt bald ein Praktikum machen, ganz verbindlich fünf Tage die Woche«, erzählt sie, gleichzeitig hat sie große Erwartungen: »Ich habe das Gefühl, ich mache immer alles falsch. Ich hoffe, dass ich selbstbewusster werde. Endlich mal lerne, etwas zu Ende zu bringen, ich will wissen, wie das Gefühl ist, etwas geschafft zu haben.«


Originelle, tragbare Mode

Das Motto der aktuellen Kollektion lautet »Unlike You«, »Nicht wie Du«. Damit thematisiert es die Ausgrenzung, mit der sich die jungen Frauen und Männer aus dem Projekt tagtäglich konfrontiert sehen, dass sie sich unverstanden und vom Leben ungerecht behandelt fühlen, von der Gesellschaft nicht wahrgenommen werden oder regelrecht unsichtbar sind. Die Verzweiflung, aber auch die Wut, die sie oft in sich tragen, setzen sie nun in ebenso originelle wie tragbare Mode um. Die Teile der Kollektion werden als Einzelstücke oder in geringer Stückzahl im Atelier in Friedrichshain produziert. Hierarchien gibt es keine, ebenso wird darauf geachtet, dass es eine Kollektion des Teams ist, ohne dass einzelne besonders hervorgehoben werden, auch wenn sie sich vielleicht stärker eingebracht haben. Und doch ist jedes Stück persönlich: Wer im People-Laden eine Bluse oder eine Jacke in die Hand nimmt, entdeckt einen handgeschriebenen, aber namenlosen Anhänger, auf dem die Designerin oder der Designer die Gedanken festgehalten hat, die er oder sie bei der Kreation im Sinn hatte – eine Botschaft für den, der das Stück dann tragen wird. Verkauft wurde die Kollektion bislang über das Internet und Pop up-Stores, mit einem dauerhaften Laden in prominenter Lage hat Karuna Neuland betreten. Doch die Lage hat in Berlin auch ihren Preis: Die Hackeschen Höfe sind auf Dauer zu teuer geworden, People Berlin ist inzwischen auf der Suche nach einem anderen Ladenlokal.

Zum Konzept des Ladens gehört auch, dass die Jugendlichen aus dem Projekt im Laden aushelfen. Mona jedenfalls ist glücklich bei People Berlin mitzumachen. »Jetzt bin ich hier und es fühlt sich verdammt gut an. Es macht viel Spaß. Es ist ein bisschen als würde ein Traum in Erfüllung gehen.«

Wenn Sie diesen Jugendlichen helfen möchten, spenden Sie bitte unter dem Stichwort »Straßenkindern helfen«

Autor: Athanasios Melissis, 1.11.2018

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