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Integration statt Abschottung

In Oberhausen unterstützt terre des hommes geflüchtete Familien mit Rat und Tat bei der Integration. Oberstes Ziel: raus aus dem Wohnheim und rein in Kita, Schule, Verein und Jugendclub.

Judika schaut hinunter auf ihren schwarzen Rock, der im Rythmus der Musik schwingt. Die zwei Dutzend Mädchen und ein paar Jungen der Tanzgruppe werfen die Arme in die Luft, dann geht es in die Knie. Nicht synchron, aber das ist egal. »Heut ist so ein schöner Tag«, singt die Sechsjährige aus voller Kehle zur Musik.

Während Judika und die anderen Kinder im Oberhausener Flüchtlingsheim Bahnstraße singen, kickern oder Gesellschaftsspiele spielen, lernen ihre Mütter in einem der Blechcontainer hinter dem Haus an drei Nachmittagen die Woche Deutsch. Sie kommen aus Bangladesch, Afghanistan, Ägypten oder, wie Judikas Mutter Blerina, aus Albanien. Geflohen sind sie vor Krieg, Gewalt oder Armut. »Unsere Sprachkurse sind offen für alle Flüchtlinge, auch wenn sie nicht aus einem der bevorzugten Herkunftsländer wie Syrien oder aus dem Irak stammen«, sagt Holger Füngerlings, Mitglied der Oberhausener terre des hommes-Gruppe. Denn Flüchtlinge wie Blerina erhalten keinen Platz in einem der staatlich geförderten Integrationskurse. Seit einem halben Jahr verpasst die 30-Jährige selten eine Deutschstunde. »Es bringt viel Spaß«, sagt sie und lächelt. So richtig traut sie sich noch nicht zu sprechen, versteht aber schon viel. Dieser Frauenkurs mit Kinderbetreuung ist bisher einmalig in Oberhausen. Aus Erfahrung weiß Holger Füngerlings, dass die Frauen seltener an herkömmlichen Sprachkursen teilnehmen – entweder weil sie niemanden für die Kinderbetreuung haben oder davor zurückschrecken, gemeinsam mit Männern zu lernen.

Spielen und basteln mit Kindern

Mehr als 50 Ehrenamtliche und Honorarkräfte machen Angebote wie dieses erst möglich: Pensionierte Lehrerinnen wie die 73-jährige Nanne Driescher unterrichten mit großer Begeisterung Erwachsene, bereiten die Kinder in Ferienkursen auf den Schulbesuch vor oder helfen individuell mit Nachhilfe in den Familien aus. Ehrenamtliche organisieren auch die terre des hommes-Kleiderkammer. Und Honorarkräfte spielen und basteln mit den Kindern, bieten Frühförderung für die ganz Kleinen oder Ferienbetreuung für Schulkinder. Oder eben die Tanzgruppe, die häufig bei Festen auftritt.

Zusammengehalten und koordiniert werden die Angebote von Andrea Schreiber. »Gerade ehrenamtliche Arbeit braucht eine gute Koordination«, sagt die terre des hommes-Aktive. »Wir bereiten die Ehrenamtlichen auf ihre Arbeit vor und begleiten sie. Voraussetzung für die Arbeit mit Kindern ist beispielsweise ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis.«

Die Oberhausener terre des hommes-Gruppe hatte bereits 1983 einen Verein gegründet, um professionell helfen und dafür Personal einstellen zu können. So hat sich terre des hommes in Oberhausen zu einem wichtigen Akteur bei allen Fragen rund um Eine-Welt-, Flüchtlingsarbeit und die Integration von Ausländern etabliert. Holger Füngerlings treibt die Vernetzung der unterschiedlichen Akteure voran, um Einfluss auf politische Entscheidungen in der 200.000-Einwohner-Stadt zu nehmen. Ein großer Erfolg war die Verabschiedung eines Flüchtlingskonzepts, das die Stadt Oberhausen gemeinsam mit kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren wie terre des hommes entwickelt hat.

Beitrag zur Integration

Auch fachlich leistet terre des hommes einen großen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen. So betreut Andrea Schreiber vier Flüchtlingsheime mit rund 700 Bewohnern, also etwa jedem vierten Oberhausener Flüchtling. Neben Sprachkursen und offener Spielzeit kümmert sich terre des hommes um alle schulischen oder KiTa-Angelegenheiten. »Ich bin das Scharnier zwischen Schulen und KiTas, Familien, dem kommunalen Integrationszentrum und den städtischen Behörden«, beschreibt Andrea Schreiber ihre Rolle. Sie sucht Betreuungs- oder Schulplätze, übernimmt die Anmeldung und begleitet Eltern und Kinder am ersten Tag. Auch danach ist sie Ansprechpartnerin für Eltern wie Lehrer bei Fragen und Problemen. Eine große Arbeitserleichterung für die Lehrkräfte, für die gerade in der Anfangszeit die Kommunikation aufgrund sprachlicher und kultureller Hürden schwierig ist. »Die Unterstützung erleichtert den Schulstart, aber auch später den Schulalltag«, bestätigt Grundschullehrerin Bernadette Twiehaus. Wenn ein Kind nicht zur Schule kommt, könne sie Andrea Schreiber direkt eine Nachricht schicken und darum bitten, die Eltern anzusprechen. Auch bei Elterngesprächen frage sie die Kollegin an, zu denen Andrea Schreiber dann meistens einen Übersetzer mitbringt.

Für Blerina und ihre Familie hat die Unterstützung von terre des hommes das Ankommen in Oberhausen erleichtert. »Es ist wichtig, dass die Kinder in den Kindergarten und in die Schule gehen«, sagt die zweifache Mutter. Wie ihre Zukunft in Deutschland aussieht, ist ungewiss. Doch zumindest weiß sie, dass ihre Kinder in den Angeboten von terre des hommes gut aufgehoben sind.

Michaela Ludwig

29.03.2017

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