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»Ich mache mir Sorgen um meine Kolleg*innen, die noch immer in Afghanistan sind«

Rede von Said Wase Sayedi bei einer Demonstration in Berlin am 26.02.2022

Mein Name ist Said Wase Sayedi, und ich bin seit fast 15 Jahren Aktivist für die Rechte der Frauen und Mädchen in Afghanistan. Viele Jahre lang habe ich mich zusammen mit einem engagierten Team für die Rechte von Mädchen und Frauen eingesetzt und ihnen eine Stimme gegeben, damit sie für ihre Rechte eintreten konnten. Doch als die Taliban die Kontrolle über das Land übernahmen, war alles, wofür wir jahrelang gekämpft hatten, mit einem Schlag verschwunden. Seit der Machtübernahme haben sich die Bedingungen für Frauen stark verschlechtert. Frauen und Mädchen dürfen keine höhere Bildung erlangen, sie wurden ihrer Grundrechte beraubt, und sie werden in der Gesellschaft nicht mehr gleich behandelt. Für Frauenrechtler*innen und Aktivist*innen wurde es gefährlich, und Tausende waren gezwungen, aus dem Land zu fliehen, darunter auch ich. Ich kann nicht unter einem so verabscheuungswürdigen diktatorischen Regime leben, das seine Gegner öffentlich aufhängt und Frauen foltert, nur weil sie für ihre grundlegenden Menschenrechte eintreten.

Ich danke der Kabul Luftbrücke, meinen Kollegen von terre des hommes und allen Menschen, die seit dem 15. August, als unser geliebtes Land in die Hände der Taliban fiel, für die Evakuierungen demonstriert haben. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass neben den Evakuierten auch Hunderte und Tausende anderer Aktivisten in Afghanistan in großer Gefahr sind und hilflos zurückgelassen wurden.

Seit der Machtübernahme durch die Taliban wurden eine Reihe von Aktivist*innen der Zivilgesellschaft und Frauenrechtler*innen ohne ersichtlichen Grund gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben, und niemand weiß bisher, wo diese Aktivisten festgehalten werden, ob sie noch leben oder schon tot sind. Ihr einziges Verbrechen war es, auf der Straße zu stehen und ihre Grundrechte "Essen, Arbeit und Freiheit" einzufordern.

Darüber hinaus werden Journalist*innen und Medienaktivist*innen auf mittelalterliche Weise ausgepeitscht und bedroht, damit sie nicht mehr gegen das Diktaturregime schreiben oder kritisch berichten. Künstler*innen und Musiker*innen, die im Herzen des Volkes stehen, wurden öffentlich verprügelt und ihre Musikinstrumente wurden vor den Augen der Öffentlichkeit zerbrochen und sie wurden gezwungen, zu verkünden, nicht mehr zu singen. 

Leider kontrollieren die Taliban seit einigen Tagen wieder stichprobenartig die Wohnungen von Aktivist*innen. Ich mache mir Sorgen um meine Kolleg*innen, die noch immer in Afghanistan sind und hilflos zurückbleiben. Ich hoffe, dass niemand getötet, inhaftiert oder gefoltert wurde, weil sie für ihre Rechte eingetreten sind. Wenn die Taliban feststellen, dass die Aktivist*innen bereits ins Ausland evakuiert wurden, bedrohen sie deren Familienangehörige, um den Druck zu erhöhen und ihre Stimme zum Schweigen zu bringen. Auch sie brauchen dringend Hilfe.

Deshalb fordern wir als Freund*innen der Frauenrechtleri*nnen, Menschenrechtler*innen, Journalist*innen, Medien-, Sozial- und Kulturaktivist*innen, die deutsche Regierung auf, sie nicht zu vergessen. Das Leben dieser Menschen und ihrer Angehörigen ist in großer Gefahr. Sie haben das gleiche Recht, unterstützt und evakuiert zu werden wie ich, auch wenn sie nicht für deutsche Organisationen gearbeitet haben.

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