Pune: Krippe unterm Baugerüst
»Ich bin sehr froh und kann das alles kaum glauben«, sagt Anjana. Sie hat die 10. Klasse als Beste abgeschlossen. Ein großer Erfolg für das 15-jährige Mädchen, dessen Eltern im indischen Pune als Tagelöhner von Baustelle zu Baustelle ziehen, immer am Rande des Existenzminimums. Anjana ging lange Zeit nicht zur Schule, konnte weder lesen noch schreiben. »Aber ich habe Glück gehabt«, ist sich Anjana sicher. An den Baustellen, auf denen ihre Eltern arbeiteten, gibt es Krippen der Organisation Tara Mobile Creches (TMC). Das Mädchen kam in das TMC-Programm und wurde dabei unterstützt, die staatliche Schule zu besuchen.
Hüttensiedlungen ohne Wasser
Pune ist die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Maharashtra und Produktionsstandort des Volkswagen-Konzerns. Die Millionenstadt hat sich in den letzten Jahren zu einem prosperierenden Industriestandort mit zahlreichen Automobil-, Maschinenbau- und Softwareunternehmen entwickelt – ein regelrechter Magnet für die bettelarme Landbevölkerung, die ihre Dörfer verlässt, um in der Großstadt ein bisschen Glück und Wohlstand zu suchen. Doch nur wenige finden eine geregelte Arbeit. Insbesondere wer keine Qualifizierung hat, kommt meist nur auf einer Baustelle unter. Die Branche boomt: Beinahe täglich entstehen in Pune neue Wohnanlagen für die finanzkräftige neue Mittel- und Oberschicht. Um die Baustellen herum bilden sich Hüttensiedlungen ohne Wasser oder Strom, in denen die Arbeiter mit ihren Familien wohnen. Die Kinder wachsen zwischen Bauschutt und Müllbergen auf. Sie gehen weder zur Schule noch werden sie ärztlich betreut.
Krippen auf den Baustellen
Viele Volkswagen-Beschäftigte wollen das nicht einfach hinnehmen. Über die Aktion »a chance to play« unterstützen sie ein terre des hommes-Projekt für benachteiligte Mädchen und Jungen: Die lokale Organisation TMC nimmt sich der Kinder auf den Baustellen an.
TMC betreibt Krippen in der unmittelbaren Umgebung der Baustellen und der arbeitenden Eltern. Wenn ein Bau fertiggestellt ist und die Arbeiter weiterziehen, wird auch die Krippe an der neuen Baustelle eingerichtet. Hier erhalten die Kinder eine medizinische Grundversorgung, eine gesunde Ernährung und werden auf den Schulbesuch vorbereitet.
In mehreren über die Stadt verteilten Krippen werden so täglich etwa 500 Kinder betreut. Dabei gibt es drei Angebote: Um Kinder bis zu drei Jahren wird sich den ganzen Tag gekümmert. Hier finden sich auch Neugeborene, die von ihren Müttern in den Arbeitspausen gestillt werden. Kinder zwischen drei und sechs Jahren werden in Vorschulgruppen auf die Schule vorbereitet. Kinder ab sechs Jahren, die nicht zur Schule gehen, werden mit vorbereitenden Kursen wieder an den formalen Schulunterricht herangeführt und mit Stützkursen gefördert.
Diese Kurse besuchte lange Zeit auch Anjana, die trotz aller Widrigkeiten auf einem guten Weg ist: »Es war manchmal sehr schwierig, zur Schule zu gehen. Wenn beispielsweise die ganze Gegend vom Regen überflutet war. Oder wenn wir kein Licht hatten und ich deswegen nicht lernen konnte. Aber ich bin glücklich. Vor allem auch darüber, dass ich nun meinen Geschwistern helfen kann.«
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