Ein Leben ohne Staub
Indien: In Mirzapur setzt sich Guddu für das Recht auf Bildung ein
Wie Mondkrater erstrecken sich die Steinbrüche über die Landschaft. Immer wieder sind Explosionen zu hören. Staub hängt in der Luft und bedeckt Wege und Felder. In dieser unwirklichen Umgebung lebt der zwölfjährige Guddu mit seiner Familie.
Guddus Heimatdorf Madachak ist eines von vielen im Distrikt Mirzapur im Osten Indiens, in denen großflächig Sandstein abgebaut wird. Dafür werden große Steinblöcke aus dem Felsen gesprengt, mit Spitzhacken zerkleinert und auf Lastwagen geladen. Die Menschen, die hier oft ohne Schutzausrüstung arbeiten, sind vom niedrigen Lohn der Minenbetreiber abhängig. Wenn das Geld nicht reicht, muss die ganze Familie mit anpacken. Die Folge: Kinder gehen gar nicht oder nur selten in die Schule.
Doch Guddu hat es geschafft: Im Kinderzentrum von terre des hommes kann er den bisher verpassten Unterricht nachholen. Und er lernt hier gemeinsam mit anderen Kindern, dass mit einem Schulabschluss eine berufliche Zukunft außerhalb der Mine möglich ist.
Zusammen mit seinen lokalen Partnerorganisationen und dem deutschen Hilfswerk Misereor will terre des hommes die Situation von Familien in insgesamt sechs Bergbauregionen Indiens nachhaltig verbessern. Um die wirtschaftliche Abhängigkeit der Menschen von den Minen langfristig zu verringern, setzt das Projekt vor allem auf Bildung und Aufklärung. Die Kinder und ihre Familien werden bestärkt, sich für ihre Rechte einzusetzen. Im Kinderzentrum werden zum Beispiel Workshops angeboten, in denen die Kinder diese Rechte kennenlernen.
Die Mädchen und Jungen werden aber auch selbst aktiv: »Wir besuchen die Eltern zu Hause und wollen sie davon überzeugen, ihre Kinder in die Schule zu schicken«, berichtet Guddu. Er selbst ist dabei das beste Beispiel für andere Familien. Auch die Erwachsenen werden mutiger und mischen sich ein: Sie sprechen Missstände bei der lokalen Regierung an und schließen sich gegenüber den Minenbetreibern zusammen, um Helme und Schutzmasken gegen den Staub in den Minen einzufordern.
Durch das Projekt erfahren viele Familien auch, dass sie Anspruch auf staatliche Unterstützung haben und wie sie diese beantragen können. So gibt es spezielle Förderprogramme, um die Arbeiter*innen der Minen und ihre Familien zu unterstützen. Mit dem bereitgestellten Geld können Eltern ihre Kinder in die Schule schicken, ohne in Existenznot zu geraten. Mithilfe der Förderprogramme konnte Guddus älteste Schwester eine Ausbildung zur Schneiderin machen. Ihre Mutter erzählt stolz: »Sie verdient jetzt genug für sich selbst und kann sogar die Familie finanziell unterstützen.« Auch Guddu arbeitet weiter fleißig daran, seinen Traum von einem Leben ohne Staub zu verwirklichen: »Ich konzentriere mich jetzt voll und ganz auf die Schule!«