Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Ein Jahr Militärputsch in Myanmar

Statement südostasiatischer Jugendorgansationen

Anlässlich des ersten Jahrestages des Militärputsches in Myanmar wenden sich Jugendorganisationen aus Südostasien, darunter auch Mitglieder des Internationalen Jugendnetzwerks von terre des hommes, in einem Statement an die ASEAN, die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft und fordern sie auf, die Fortsetzung der Gewalt und Unmenschlichkeit des Militärs gegenüber dem Volk von Myanmar nicht zuzulassen.

Wir, die Jugend Südostasiens, bringen unsere anhaltende Enttäuschung, Verzweiflung und Trauer über die Lage in Myanmar zum Ausdruck. Heute vor genau einem Jahr setzte das Militär in Myanmar die demokratisch gewählte Regierung durch einen Staatsstreich ab und leitete damit den Beginn eines umfassenden und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung Myanmars ein. Wir waren Zeugen der völligen Missachtung der Menschenrechte und der Lebensgrundlage des Volkes durch das Militär Myanmars. Da der Putsch weiterhin auf weltweite Ablehnung stößt, halten wir, die Jugend Südostasiens, unsere Solidarität aufrecht, um den wahren Willen des Volkes zu unterstützen.

Wir haben einige Beispiele aufgelistet, die zeigen, mit welcher Rücksichtslosigkeit das Militär Myanmars Menschenrechte missachtet. Die Liste ist nicht vollständig, aber sie beschreibt grausame Verbrechen und reicht aus, um unsere Entschlossenheit zu bekräftigen, dass die Militärjunta kein Recht hat, das Volk von Myanmar zu vertreten.

  1. Hunderte von Politiker*innen der demokratisch gewählten Partei, darunter Präsident Win Myint und Staatsrätin Aung San Suu Kyi, wurden willkürlich festgenommen und unter politisch motivierten Anschuldigungen verurteilt. Massenverhaftungen erfolgten auch gegen Jugendliche, darunter Studierende und Kinder, sowie Journalist*innen und alle Personen, die sich abweichend äußerten, den Staatsstreich kritisierten und an der Bewegung des zivilen Ungehorsams teilnahmen. Den Inhaftierten wurde nicht nur der Zugang zu einem fairen Prozess verwehrt, sondern es gibt auch unzählige Berichte über Folter, Misshandlung und willkürliche Tötung in der Haft. Darüber hinaus sind Frauen, Mädchen sowie geschlechtsbezogene Minderheiten Zielscheibe von Übergriffen, Schikanen und Gewalt durch die Junta.
  2. Demonstrantionen wurden mit tödlicher Gewalt auseinandergetrieben. Bisheriger Höhepunkt war das Vorgehen des Militärs am 27. März 2021, dem Tag der Streitkräfte, an dem landesweit mehr als 100 Demonstrierende getötet wurden. Am 9. April 2021 wurden mindestens 80 Demonstrierende in der Region Bago getötet. Am 5. Dezember 2021 zeigten Online-Filmaufnahmen, wie ein Militärfahrzeug absichtlich Demonstrierende in Yangon überfuhr und Schüsse auf sie abgab.
  3. Im Juli 2021 nutzte das Militär die tödliche dritte Welle der COVID-19-Pandemie als Waffe, indem es die Bereitstellung von Sauerstoff verweigerte und den Verkauf von Sauerstoff durch diejenigen Firmen und Privatkliniken untersagte, die Personal beschäftigten, das gegen die Militärherrschaft protestiert hatte. Auch Hilfsorganisationen wurden an der Verteilung von Sauerstoff gehindert, während gleichzeitig Sauerstoffvorräte an militärische Einrichtungen weitergegeben wurden. Hunderte von Menschen, die dennoch täglich Schlange standen, um Sauerstoff zu erhalten, wurden verhaftet und beschossen.
  4. Als Reaktion darauf, dass die Zivilbevölkerung zu den Waffen griff und Selbstverteidigungsgruppen bildete, startete das Militär Luftangriffe und gewaltsame Überfälle auf Städte, Dörfer und Gemeinden. In Thantlang im Bundesstaat Chin wurden seit September 2021 Hunderte Häuser, Kirchen und Büros zivilgesellschaftlicher Organisationen systematisch verbrannt und zerstört. In den Regionen Sagaing und Magway stürmte das Militär Dörfer, plünderte ziviles Eigentum, zerstörte und verbrannte Häuser und Lebensmittelvorräte und verhaftete Zivilist*innen, die als menschliche Schutzschilde dienen sollten. Am Weihnachtsabend 2021 wurden im Bundesstaat Kayah mindestens 35 Zivilist*innen, darunter Kinder und Mitarbeiter*innen humanitärer Organisationen, lebendig verbrannt. Am 7. Dezember 2021 wurden elf Zivilist*innen, zumeist Jugendliche, in der Region Sagaing gefesselt und verbrannt.
  5. Im ganzen Land schränkt das Militär den Radius humanitärer Organisationen, die lebensrettende Hilfsgüter an die zahllosen Binnenvertriebenen verteilen, weiter ein. Sie leben in den örtlichen Lagern, aus Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten hungern sie und werden krank. Die meisten fliehen in benachbarte Gebiete wie Mae Sot in Thailand und Mizoram in Indien, wo die humanitäre Hilfe aufgrund des starken Zustroms von Flüchtlingen ebenfalls knapp ist. Der Lebensunterhalt von Menschen, die bleiben, wird durch Reisebeschränkungen, gekappte Kommunikationsleitungen, Internetabschaltungen und die willkürliche Erhöhung der Internetgebühren stark beeinträchtigt. Folglich waren im Dezember 2021 schätzungsweise 14,4 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, das sind ein Viertel aller Einwohner Myanmars.
  6. Ein Jahr nach dem Putsch hat die Militärjunta schätzungsweise 1.500 Menschen getötet und 11.700 Menschen verhaftet.

All die jungen Menschen, die an vorderster Front für die Rückkehr ihres Landes zu zivilen Verhältnissen kämpfen, setzen ihr Leben, ihr Glück, ihre Ausbildung und ihren Lebensunterhalt aufs Spiel. Sie hofften auf Unterstützung aus den Nachbarländern, durch die ASEAN-Staaten oder die Vereinten Nationen, die bisher jedoch enttäuschenderweise weitgehend ausblieb.

  1. Obwohl wir die Formulierung des Fünf-Punkte-Konsenses durch die ASEAN im April 2021 begrüßen, wurde er nicht konsequent umgesetzt. In einem Fall hat die Militärjunta dem damaligen ASEAN-Sondergesandten für Myanmar, Erywan Yusof, absichtlich den Zugang zur Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi verwehrt, was im Widerspruch zum Konsens steht.
  2. Wir begrüßen auch, dass die ASEAN von ihrer bekannten Nichteinmischungspolitik abgewichen ist und als Konsequenz aus der Missachtung des Konsenses den Militärführern die Teilnahme am ASEAN-Gipfel im Oktober 2021 verwehrte. Wir sind jedoch entsetzt über die Rückwärtsgewandtheit des kambodschanischen Premierministers Hu Sen als derzeitigem ASEAN-Vorsitzenden, der Myanmar besuchte, um den Juntaführer Ming Aung Hlaing zu treffen. Wir sind ferner empört über die Begründung von Hun Sen, Junta-Funktionäre sollten in ASEAN-Treffen einbezogen werden. Dieses Vorgehen verleiht der Junta nicht nur Legitimität, sondern gefährdet auch jede Chance auf Anerkennung der Regierung der Nationalen Einheit (NUG) als rechtmäßige Vertreterin des myanmarischen Volkes.
  3. Wir begrüßen die Resolution der UN-Generalversammlung vom 18. Juni 2021, in der die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Unterbindung von Waffenlieferungen nach Myanmar gefordert wird. Wir begrüßen ferner die von den USA, dem Vereinigten Königreich und der EU verhängten Sanktionen gegen Unternehmen und Einzelpersonen, die mit dem Militär in Verbindung stehen. Allerdings sind wir enttäuscht über den mangelnden Willen des UN-Sicherheitsrates, ein umfassendes weltweites Waffenembargo gegen Myanmar und diejenigen Staaten zu verhängen, die weiterhin wirtschaftlich oder anderweitig mit der Militärdiktatur zusammenarbeiten und damit das Regime stützen.

Da die Militärregierung keine Anstalten macht, die Gewaltherrschaft zu beenden und zu zivilen Verhältnissen zurückzukehren, fordern wir die ASEAN, die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft auf, die Fortsetzung der Gewalt und Unmenschlichkeit des Militärs gegenüber dem Volk von Myanmar nicht zuzulassen. Wir bitten alle relevanten Akteure, es nicht bei Erklärungen zur Verurteilung der Militärregierung zu belassen, sondern weitergehende Schritte zu unternehmen und Druck auf die Junta auszuüben:

  1. Die internationale Gemeinschaft muss die Herrschaft der Junta delegitimieren und ablehnen und stattdessen die Anerkennung der NUG als demokratisch gewählte Regierung unterstützen. Der Kontakt zu den Vertreter*innen der Exilregierung (National Unity Government – NUG) muss aufrechterhalten werden, um sicherzustellen, dass die Werte und die Politik der NUG mit dem Schutz der Rechte des Volkes von Myanmar übereinstimmen.
  2. Die internationale Gemeinschaft muss ihren politischen Verpflichtungen im Rahmen des Grundsatzes der Schutzverantwortung gegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachkommen. In diesem Zusammenhang muss der UN-Sicherheitsrat den Fall Myanmar an den Internationalen Strafgerichtshof verweisen, der die Militärregierung für die begangenen Verbrechen zur Rechenschaft zieht.
  3. Alle Staaten und der Privatsektor sollten Wirtschaftssanktionen oder andere Maßnahmen gegen Unternehmen und Einzelpersonen verhängen, die mit dem Militär in Verbindung stehen. Darüber hinaus muss jede Transaktion, die Waffen, Ausrüstung oder jegliche Art von militärischer Unterstützung beinhaltet, auf unbestimmte Zeit gestoppt werden. 
  4. Einzelpersonen, Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen weiterhin ihre Stimme erheben und auf die Lage in Myanmar hinweisen, um regionale und internationale Solidarität weltweit aufzubauen. Auch wenn die Aufmerksamkeit für die Geschehnisse in Myanmar etwas nachgelassen hat, darf nicht in Vergessenheit geraten, dass die Militärregierung weiterhin täglich Gräueltaten begeht.

 

01.02.2022

Zurück zum Seitenanfang

Bleiben Sie doch noch einen Moment –
und abonnieren Sie unseren Newsletter!

Jetzt anmelden!

Bleiben Sie informiert.
Abonnieren Sie unseren Newsletter!

Jetzt anmelden!