Zum Inhalt springen

Bundeswehr an Schulen

Die Bundeswehr wirbt und rekrutiert Kinder

Die Bundeswehr benötigt jährlich rund 20.000 neue Rekruten. Um diese Zahl zu erreichen, werden die Werbemaßnahmen stark ausgeweitet und jedes Jahr Minderjährige als Soldaten rekrutiert: 2024 waren es 2.203 17-Jährige, darunter 321 Mädchen, ein erneuter Anstieg um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr und neuer Höchstwert. Diese erhalten dieselbe militärische Ausbildung an der Waffe wie erwachsene Soldaten und werden dann oft schon bald nach Erreichen der Volljährigkeit in Auslandseinsätze geschickt. In den letzten zehn Jahren hat die Bundeswehr mehr als 22.000 Minderjährige als Soldat*innen rekrutiert.

 

Unsere Forderungen

  • Die Anhebung des Rekrutierungsalters der Bundeswehr auf mindestens 18 Jahre! (Straight-18-Standard)
  • Den Stopp jeder Art von militärischer Werbung bei Kindern und Jugendlichen!
  • Die Veröffentlichung des Alters von Soldaten und Soldatinnen, die von bundeswehrinternen Rechtsverletzungen wie sexuellem Missbrauch, entwürdigenden Aufnahmeritualen oder Mobbing betroffen sind oder die sich beim Training oder im Einsatz verletzen, traumatisiert werden oder zu Tode kommen.

Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf, die Kinderkommission des Deutschen Bundestages und ein SPD-Positionspapier fordern dies von der Bundesregierung, ebenso wie andere Staaten wie Schweden im UN-Menschenrechtsrat

Der internationale Straight-18-Standard wird von über 150 Staaten weltweit eingehalten, darunter auch die große Mehrheit der NATO- und EU-Staaten.

Im Februar 2025 haben wir mehr als  32.000 Unterschriften an den Bundesverteidigungsminister Pistorius übergeben und haben uns kürzlich erneut mit einem Brief an ihn gewendet, zusammen mit der Kampagne »Unter 18 Nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr«, zehn Organisationen aus den Bereichen Gewerkschaften, Kirche, Menschenrechte und Frieden, die zusammen mehr als 300.000 Mitglieder haben. Die Übergabe im Video

Dabei hat der Minister uns im persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass er unsere Kritik an der Rekrutierung minderjähriger Soldat*innen grundsätzlich teilt. Doch diesen Worten müssen dringend Taten folgen!

Denn bei 17-Jährigen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gibt es jedes Jahr schwere Kinderrechtsverletzungen – schwere Verstöße gegen die Verpflichtungen der UN-Kinderrechtskonvention (u.a. Schutz vor Gewalt, Schutz vor sexueller Gewalt, Recht auf Leben, Schutz vor riskanter Kinderarbeit), die für alle unter 18-Jährigen gilt, und der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO (Beendigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit).

Auch nationale Gesetze werden verletzt: Der gesetzliche Jugendschutz gilt nicht mehr. Die Mädchen und Jungen werden gemeinsam mit erwachsenen Soldaten untergebracht, sie haben dieselben Arbeitszeiten, besondere Schutzmaßnahmen gegen Mobbing oder Übergriffe gibt es nicht – obwohl laut einer Bundeswehr-Studie mehr als die Hälfte aller Soldatinnen in der Bundeswehr sexuell belästigt wurden und etwa jede Dreißigste Opfer sexuellen Missbrauchs wurde (Quelle: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, 2014).

Alleine im Jahr 2023 wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums 15 minderjährige Soldatinnen und Soldaten Opfer von sexueller Gewalt, 35 erlitten Unfälle, viele weitere psychische Störungen und Traumatisierungen – und dies sind nur die statistisch erfassten Fälle, die Dunkelziffer dürfte vielfach höher liegen. Insgesamt wurden in diesem Jahr 385 »Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder sonstige Formen sexueller Belästigung« gemeldet – wie viele der Betroffenen minderjährig waren, veröffentlicht die Bundeswehr leider weiterhin nicht, obwohl dies schon lange gefordert wird.

Von 2018-2020 waren mindestens 17 minderjährige Soldat*innen von sexueller Gewalt in der Bundeswehr betroffen, in fünf dieser Fälle richtete sich der Tatverdacht gegen Vorgesetzte. Auch kommt es bei vielen Soldat*innen zu schweren psychischen Schäden: Über ein Fünftel aller Soldatinnen und Soldaten ohne Auslandseinsatz leiden an psychischen Erkrankungen, und alleine in den drei Jahren von 2018-2020 verzeichnete die Bundeswehr 167 Suizidversuche und 50 vollendete Suizide – darunter war auch ein minderjähriger Soldat (Quelle: Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Frank Heinrich).

Gewalttätiges Verhalten in der Gruppe, darunter sogenannte Aufnahmerituale und oft auch sexualisierte Gewalt, sind in der Bundeswehr kein Einzelfall, sondern kommen immer wieder vor. Auch davon sind minderjährige Soldaten und Soldatinnen betroffen wie vor einigen Jahren beim Skandal um sexualisierte Aufnahmerituale in einer Kaserne in Pfullendorf, bei dem ein interner Bericht „gravierende Defizite in Führung, Ausbildung sowie Dienstaufsicht“ feststellte.

Die Bundeswehr wirbt zunehmend bei Kindern und Jugendlichen, gezielt und einseitig: Jugendoffiziere und Karriereberater der Bundeswehr erreichen jedes Jahr an Schulen mehrere Hunderttausend Schüler, darunter auch Kinder von gerade einmal elf Jahren. Viele weitere Mädchen und Jungen werden auf Messen, bei Kasernenbesuchen oder Abenteuerevents erreicht.

Auch über Jugendmedien und Social Media versucht die Bundeswehr, Nachwuchs zu werben. Viele Jugendliche lassen sich von guten Gehältern, festem Job, kostenlosem Studium und anderen Vergünstigungen der Bundeswehr locken. Die Risiken wie Trauma, Tod oder Verwundung werden in Schulvorträgen, Werbespots und Materialien der Bundeswehr gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Youtube-Serien und Werbeaktionen wie die »Bundeswehr Discovery Days« oder Angebote am »Girl’s Day« betonen stattdessen Abenteuer, Spaß, Sport und Teamarbeit, reale Einsatzbilder und -informationen fehlen oft komplett.

Die Bundeswehr investiert immer stärker in Nachwuchsanwerbung. Die Kosten dafür haben sich seit 2011  von 3,8 Millionen Euro auf 57 Millionen Euro mehr als verzehnfacht.

In der Studie »Why 18 matters – eine Analyse der Rekrutierung von Kindern«, die Terre des Hommes zusammen mit Child Soldiers International und anderen Organisationen veröffentlicht hat, geht es es auch um die Rekrutierung minderjähriger Soldat*innen für die Bundeswehr .

Die Entscheidung über die Einladung von Soldaten in den Unterricht liegt allein bei der Schule. Schüler, Eltern und Lehrkräfte können sich in Lehrer- und Schulkonferenzen und über die Schüler- und Elternräte dagegen aussprechen – Unterstützung bieten die »Muster-Leitlinien für Schulen« von terre des hommes. Auch können Eltern für ihre Kinder Ersatzunterricht beantragen, wenn Bundeswehrsoldaten in die Klasse kommen.


Diskussionsveranstaltungen, bei denen Soldaten, Friedenspädagogen, Kinderrechtler oder andere Experten mit älteren Schülerinnen und Schülern kontrovers diskutieren, können sinnvoll sein - denn die Schüler haben auch ein Recht auf Information. Die Veranstaltungen müssen aber für die Schüler freiwillig und für Eltern und andere Interessierte offen sein. Weitere strenge Standards zum Schutz der Jugendlichen vor einseitiger militärischer Werbung müssen eingehalten werden. Terre des Hommes hat dazu Musterleitlinien für Schulen entwickelt.

Werden Sie aktiv und setzen Sie sich mit der Kampagne »Unter 18 Nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr« für ein Ende von Bundeswehrrekrutierung und -werbung bei Minderjährigen ein!

 

Ihr Ansprechpartner

Ralf Willinger

Referent Kinderrechte und Friedenskultur

Weiterlesen