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Kindersoldaten und Kindersoldatinnen

Sie werden gezwungen zu töten und zu plündern, sie müssen an die Front, werden durch Minenfelder getrieben oder zur Spionage eingesetzt. 250.000 Kinder und Jugendliche werden weltweit als Soldaten missbraucht – sowohl von regulären Armeen wie auch von Rebellengruppen. Darunter sind je nach Konflikt auch fünf bis 20 Prozent Mädchen. Das wird häufig vergessen.

Kinder sind in vielen bewaffneten Kriegsparteien fester Bestandteil der militärischen Infrastruktur. Ihr Alltag ist geprägt durch Gewalt, ihre Erziehung basiert auf bedingungslosem Gehorsam. Kinder sind einfacher manipulierbar, gehorsamer und furchtloser als Erwachsene. Leichte und billige Kleinwaffen - auch aus Europa - ermöglichen es den Kriegsherren, auch junge Kinder an die Front zu schicken.

Ist der Krieg vorüber, brauchen sie dringend Unterstützung, damit sie eine Chance zur Rückkehr in die zivile Gesellschaft haben. Viele sind traumatisiert und können ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Sie haben oft weder eine Ausbildung bekommen, noch eine Schule besucht. terre des hommes gibt diesen Kindern eine neue Perspektive: In Projekten bekommen sie psychologische Betreuung und eine Ausbildung. Auf politischer Ebene setzt sich terre des hommes dafür ein, dass kein Kind unter 18 Jahren rekrutiert wird und dass Waffenexporte in Länder mit schweren Menschenrechtsverletzungen gestoppt werden.


Ihr Ansprechpartner

Ralf Willinger
Referat Programme und Politik
Tel. 05 41 / 71 01 - 108
r.willinger@remove-this.tdh.de

Daten und Fakten

Definition

Kindersoldaten sind:
 
»... alle Personen unter 18 Jahren, die von Streitkräften oder bewaffneten Gruppen rekrutiert oder benutzt werden (…), darunter Kinder, die als Kämpfer, Köche, Träger, Nachrichtenübermittler, Spione oder zu sexuellen Zwecken benutzt wurden.«

Definition nach den Pariser Prinzipien (2007), unterzeichnet von 105 Staaten, darunter Deutschland

Länder, in denen im Jahr 2022 Kinder als Soldat*innen in bewaffneten Konflikten eingesetzt wurden

Nach Schätzungen werden weltweit rund 250.000 Kinder in über 20 Ländern von bewaffneten Gruppen und Armeen rekrutiert und eingesetzt. Sie werden entführt oder mit falschen Versprechungen und einem geringen Sold gelockt und militärisch gedrillt. Oft werden sie durch Misshandlungen, Drogen oder Geld gefügig gemacht. Mädchen und Jungen werden häufig sexuell missbraucht. Die langfristigen Folgen für das psychische und körperliche Wohl der Kinder sind katastrophal: Sie werden zu absolutem Gehorsam gezwungen, das Selbstbewusstsein schwindet, sie stumpfen gegenüber Grausamkeiten ab, werden traumatisiert und seelisch schwer verletzt.

In Deutschland werden jedes Jahr unter 18-jährige Jungen und Mädchen für die Bundeswehr rekrutiert, im Jahr 2022 waren es insgesamt 1.773, darunter 327 Mädchen - ein Anstieg um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr. terre des hommes setzt sich dafür ein, dass auch die Bundeswehr den internationalen 18-Jahres-Standard einhält und die Rekrutierung und Werbung von Minderjährigen stoppt – dies fordert auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Deutschen Bundestages. Im September 2017 überreichte terre des hommes mehr als  30.000 Unterschriften an Verteidigungsministerin von der Leyen und verlieh den Forderungen in einem Gespräch im Verteidigungsministerium Nachdruck.

Internationale Vereinbarungen

Neben der UN-Kinderrechtskonvention und dem Zusatzprotokoll Kinder in bewaffneten Konflikten wurden in den letzten Jahren wichtige Maßstäbe gegen die Rekrutierung von Kindern durchgesetzt. Dazu zählen:

  • die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, der unter anderem die Rekrutierung von Kindern als Kriegsverbrechen verfolgt
  • die Benennung eines Sonderbeauftragten der UN für Kinder in bewaffneten Konflikten und die Einrichtung eines Monitoring- und Berichtsverfahrens
  • eine Diskussion der Situation der Kinder bei Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates, bei Friedensmissionen und Friedensvereinbarungen.

Doch dies reicht bei weitem nicht aus, denn viele Regelungen werden in der Praxis nicht umgesetzt. Selbst schwerste Kinderrechtsverletzungen haben meist keine Konsequenzen, weder strafrechtlich noch auf internationaler oder diplomatischer Ebene.

Dies gipfelte im Juni 2016 darin, dass Saudi-Arabien dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drohte, es werde sämtliche Zahlungen an die UN einstellen, wenn es nicht von der sogenannten Liste der Schande der UN gestrichen würde. Dort war Saudi-Arabien nach massiven Bombardierungen von Krankenhäusern und Schulen im Yemen mit vielen zivilen Todesopfern, darunter vielen Kindern, gelistet worden. Ban Ki Moon stimmte zähneknirschend zu, machte diese Erpressung aber öffentlich. terre des hommes und viele andere NGOs protestierten, aber internationaler Druck blieb weitgehend aus. Von 2017 bis 2019 war die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) angeführte Militärkoalition, die im Jemen Krieg führt, dann in der Liste der Schande aufgeführt als Akteur, der für die Tötung und Verstümmelung von Kindern verantwortlich ist. In den Berichten 2020 und 2021 aber nicht mehr, obwohl die Militärkoalition weiter zivile Märkte, Schulen und Krankenhäuser bombardiert, mit vielen Todesopfern. Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben deswegen 2019 Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen gestellt gegen europäische Unternehmen wie Airbus, Rheinmetall, Leonardo und BAE Systems und gegen staatliche Akteure in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien. Mitglieder der Militärkoalition, vor allem Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Ägypten, gehören weiter zu den größten Waffenimporteuren der Welt und werden vor allem von den USA, Großbritannien und Deutschland massiv aufgerüstet. Die Bundesregierung hat Waffenexporte an Saudi-Arabien wegen der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi seit Ende 2018 ausgesetzt, hat aber zum Teil Lieferungen über andere europäische Länder genehmigt.

Generell gab es in den letzten Jahren ein sehr hohes Maß an Kinderrechtsverletzungen in bewaffneten Konflikten. Der UN-Sicherheitsrat und einflussreiche Länder wie Deutschland müssen dringend aktiv werden und dem Schutz von Kindern in Kriegsgebieten höchste Priorität geben.

Zahlen

250.000 Kindern und Jugendlichen werden weltweit in mehr als 20 Ländern als Soldaten rekrutiert, die meisten davon im Nahen Osten, Afrika und Asien.

  • In Syrien werden Tausende von Kindern als Soldaten missbraucht, vom Islamischen Staat, von der Freien Syrischen Armee sowie kurdischen und Pro-Assad-Gruppen.
  • In Kolumbien wurden im Jahr 2017 in Folge des Ende 2016 unterzeichneten Friedensvertrages 7.000 Kämpfer der FARC entwaffnet und demobilisiert, darunter viele Minderjährige. Bei anderen bewaffneten Guerilla-Gruppen wie der ELN, ELP, FARC-Splittergruppen und bei paramilitärischen Gruppen und kriminellen Banden gibt es weiter in großem Maße minderjährige Soldaten.
  • Mehr als 8.000 Kinder, darunter viele Mädchen, wurden in Nigeria seit 2009 von Boko Haram rekrutiert und zum Teil gezwungen, sich als Selbstmordattentäter in die Luft zu sprengen. Auch die gegen Boko Haram kämpfenden Bürgerwehren rekrutierten Hunderte Kinder.
  • In Myanmar gibt es weiter Tausende oder möglicherweise Zehntausende von Kindersoldaten, genaue Zahlen sind nicht bekannt. Die Fälle von Rekrutierungen in die staatliche Armee sind nach der Unterzeichnung eines UN-Aktionsplanes 2012 zunächst zurückgegangen, ab 2020 aber wieder massiv gestiegen. Auch bewaffnete Oppositionsgruppen wie die Kachin Independent Army KIA setzen in großem Maße Minderjährige als Soldaten ein.
  • In Indien rekrutieren zahlreiche bewaffnete Oppositionsgruppen Kinder, zum Beispiel die Naxaliten und viele Gruppen in Nordostindien, und auch bei der staatlichen Armee werden immer wieder Fälle von Rekrutierungen und illegalen Inhaftierungen von Minderjährigen dokumentiert. terre des hommes hat dazu eine Studie erstellt.
  • Auch in der DR Kongo, Kamerun, Sudan, Südsudan, Mali, Burkina Faso, Zentralafrikanische Republik, Somalia, Libanon, Libyen, Jemen, Syrien, Irak, Israel / Palästina, Libanon, Afghanistan, den Philippinen und weiteren Ländern werden Minderjährige als Soldaten rekrutiert und ausgebeutet.

Forderungen und Ziele

terre des hommes fordert gemeinsam mit dem Deutschen Bündnis Kindersoldaten:

1. „straight 18“

Kinder unter 18 Jahren dürfen weder freiwillig noch zwangsweise rekrutiert oder als Soldaten eingesetzt werden. Dies gilt unabhängig von der Funktion und davon, ob sie eine Waffe tragen. Alle Mädchen und Jungen unter 18 Jahren müssen aus Armeen und bewaffneten Gruppen entlassen werden. Auch dürfen unter 18-Jährige prinzipiell nicht für Armeen oder bewaffnete Gruppen geworben werden. Dies gilt auch für die Bundeswehr, die weiter 17-Jährige rekrutiert und bei Schülern wirbt.

2. Bestrafung der Verantwortlichen
Personen, Staaten und bewaffnete Gruppen, die Kinder rekrutieren und als Soldaten einsetzen, müssen öffentlich benannt und bestraft werden.

3. Versorgung, Schutz und Hilfe für geflohene Kindersoldaten
Medizinische und psychologische Versorgung, Schutz vor erneuter Rekrutierung, sowie schulische und berufliche Bildung sind für alle ehemaligen Kindersoldaten lebenswichtig - gerade auch wenn sie als Flüchtlinge in andere Länder kommen.

4. Gewährung von politischem Asyl
Ehemaligen Kindersoldaten muss in allen Ländern, in die sie geflohen sind, Schutz und politisches Asyl gewährt werden - auch in Deutschland und anderen Industrieländern.

5. Stopp der Rüstungsexporte an Länder mit bewaffneten Konflikten oder schweren Menschen- und Kinderrechtsverletzungen - insbesondere an solche Länder, in denen eine der sechs schweren Kinderrechtsverletzungen in bewaffneten Konflikten stattfinden (gemäß UN-Definition: die Rekrutierung von Kindern als Soldaten, das Töten und Verstümmeln von Kindern, die Entführung von Kindern, sexuelle Gewalt gegen Kinder, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser, Verweigerung des Zugangs zu humanitärer Hilfe).

6. Mehr Geld für Kindersoldaten-Hilfsprogramme

Die staatlichen und internationalen Mittel für Präventions- und Reintegrationsprogramme für Kindersoldaten müssen deutlich erhöht werden. In vielen Ländern mit Kindersoldaten gibt es keinerlei Mittel für solche Programme.

Forderungen an Deutschland

1. Stopp der Rekrutierung 17-jähriger Minderjähriger in die Bundeswehr, Erhöhung des Mindestalters für Rekrutierung auf 18 Jahre.

2. Stopp von Werbung der Bundeswehr, die sich gezielt an Minderjährige richtet: an Schulen, in Jugendmedien, auf Jugendseiten im Internet, bei Sport-, Abenteuer- und Musikveranstaltungen für Minderjährige, etc.

3. Friedenserziehung verbindlich in den Lehrplänen und in der Lehrerfortbildung verankern

4. Gewährung von politischem Asyl und Unterstützung für geflüchtete Kindersoldaten oder Minderjährige, die vor einer Rekrutierung geflohen sind. Ein sicherer Aufenthaltsstatus, medizinische und psychologische Versorgung sowie schulische und berufliche Bildung sind für sie lebenswichtig. Hier gibt es in Deutschland große Probleme.

5. Stopp der Rüstungsexporte an Länder mit bewaffneten Konflikten oder schweren Menschen- und Kinderrechtsverletzungen - insbesondere an solche Länder, in denen eine der sechs schweren Kinderrechtsverletzungen in bewaffneten Konflikten stattfinden (gemäß UN-Definition: die Rekrutierung von Kindern als Soldaten, das Töten und Verstümmeln von Kindern, die Entführung von Kindern, sexuelle Gewalt gegen Kinder, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser, Verweigerung des Zugangs zu humanitärer Hilfe).

6. Mehr Geld für Kindersoldaten-Hilfsprogramme: Die staatlichen Mittel für Präventions- und Reintegrationsprogramme für Kindersoldaten in Krisenregionen müssen deutlich erhöht werden.

Weltweiter Einsatz gegen die Rekrutierung von Kindern

In Deutschland koordiniert terre des hommes gemeinsam mit der Kindernothilfe das Deutsche Bündnis Kindersoldaten. Weltweit setzt sich terre des hommes in Netzwerken wie der Watchlist on Children and Armed Conflict und mit Partnern wie dem Coalico in Kolumbien oder Child Soldiers International gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten ein.

Projektbeispiele

Erfahren Sie, wie terre des hommes die Kinderrechte durchsetzen möchte terre des hommes setzt sich auf der ganzen Welt für die Kinderrechte ein. Sehen Sie Beispiele für unsere Projektarbeit.

Kolumbien: Friedliche Auswege
In vielen Jahren haben die Nachbarn im Norden Bogotás mühsam eine Schule und einen Kindergarten aufgebaut. Doch die Viertel sind ins Visier der Grundstücksmafia geraten. Die Angst im Viertel ist spürbar. ...mehr

Thailand/Burma: Grenzenlose Hilfe
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Burma: Erst Lehrer, dann Schule
Im Norden Burmas kämpfen die Kachin mit der burmesischen Regierung um ihre Unabhängigkeit. In vielen Gemeinden sind die Schulen geschlossen. Nur noch selten finden sich Lehrer, die in der unruhigen Region unterrichten wollen. ...mehr


Was Sie tun können

terre des hommes setzt sich auf verschiedenen Ebenen für den Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten ein. Neben der Mitarbeit in Initiativen gegen die Rekrutierung von Kindern unterstützt terre des hommes zahlreiche Projekte in Kriegs- und Krisengebieten. Folgende Aspekte sind in der Projektarbeit von terre des hommes von Bedeutung:

  • Präventionsarbeit, also der Schutz von Kindern vor Gewalt und Zwangsrekrutierung
  • Bemühungen um Entlassung, Rehabilitation und Versöhnung für aktive oder ehemalige Kindersoldaten
  • Hilfe und Betreuung für verletzte und traumatisierte ehemalige Kindersoldaten
  • Hilfe für ehemaligen Kindersoldaten, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten mit einer Spende. Jede Spende hilft!

Red Hand Day

Immer noch werden weltweit etwa 250.000 Kinder in Kriegen und bewaffneten Konflikten als Kindersoldaten missbraucht. Deshalb findet jährlich am 12. Februar der Red Hand Day statt. Durch öffentliche Proteste, Demonstrationen und andere Aktivitäten soll an diesem Tag weltweit die Aufmerksamkeit auf die Situation von Kindersoldaten gelenkt werden. Machen Sie mit! ...mehr


Materialien, Links, Adressen

Studien, Broschüren und weiterführende Links zum Thema Kindersdolaten und Kinder im Krieg. mehr