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Stellungnahme zu den Eckpunkten des Rüstungsexportkontrollgesetzes (REKG)

terre des hommes setzt sich beim »Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz« dafür ein, dass die Kinderrechte im neu geplanten Gesetz zur Rüstungsexportenkontrolle  berücksichtigt werden. Nachfolgend der Wortlaut der terre des hommes-Stellungnahme.

Die Kinderrechtsorganisation terre des hommes Deutschland e.V. begrüßt es, dass laut Eckpunkten die acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU zu Rüstungsexporten (GS) erstmals in einem nationalen Gesetz, dem REKG, kodifiziert werden sollen, darunter das Menschenrechtskriterium, das Kriterium innere Spannungen und bewaffnete Konflikte und das Kriterium wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Entwicklung des Empfängerlandes. Da der Gemeinsame Standpunkt bereits rechtsverbindlich für die EU-Mitgliedstaaten ist, ist dies keine Veränderung der Rechtslage, aber eine wichtige Verdeutlichung und Stärkung auf nationaler Ebene.

Ebenso begrüßen wir, dass die Eckpunkte an einer Stelle ausdrücklich die Kinderrechte erwähnen und betonen, dass eine Genehmigung für die Ausfuhr von Rüstungsgütern nicht erteilt werden darf, wenn im Empfängerland Kindersoldat*innen eingesetzt werden, und damit einer Forderung des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes an Deutschland folgt. Es gibt aber sechs von den Vereinten Nationen und dem UN-Sicherheitsrat definierte schwere Kinderrechtsverletzungen in bewaffneten Konflikten, neben der Rekrutierung von Kindern als Soldat*innen sind dies die Tötung und Verletzung von Kindern, deren Entführung, sexuelle Gewalt gegen Kinder, Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen sowie die Verwehrung des Zugangs zu humanitärer Hilfe.

Wir fordern die Bundesregierung auf, auch diese schweren Kinderrechtsverletzungen in das REKG aufzunehmen und dringend jeglichen dazu beitragenden Rüstungsexporten in der Praxis die Genehmigung zu verwehren - d.h. auch beispielsweise keinerlei Rüstungsexporte an die Mitglieder der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführten Militärkoalition, die im Jemen seit 2015 Krieg führt, zu genehmigen, darunter auch Ägypten, die zu den größten Empfängern deutscher Rüstungsgüter gehören. Diese Militärkoalition ist für die Tötung von tausenden von Kindern verantwortlich, überwiegend durch Bombardierungen von Krankenhäusern und Schulen und anderer ziviler Einrichtungen, dabei wurden Eurofighter- und Tornado-Kampfjets, Bomben von Rheinmetall und Heckler & Koch-Waffen eingesetzt. Viele weitere Kinder fielen der Hungerblockade jemenitischer Häfen durch diese Militärkoalition zum Opfer, bei der auch in den Jahren zuvor gelieferte deutsche Patrouillenboote eingesetzt wurden. Rüstungsexporte an Mitglieder dieser Militärkoalition verstoßen gegen den gemeinsamen Standpunkt und tragen zu schwersten Menschenrechtsverletzungen bei, wie auch das EU-Parlament in einer Resolution festgestellt hat.

Diese drei schweren Kinderrechtsverletzungen durch die Militärkoalition, die Tötung und Verletzung von Kindern, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser und Verwehrung humanitärer Hilfe durch eine Blockade der Häfen, und auch deren erschreckendes Ausmaß, sind in den jährlichen Berichten des UN-Generalsekretärs zu Kindern in bewaffneten Konflikten ausführlich dokumentiert, ebenso die Tatsache, dass Verbündete der Militärkoalition in großem Maße Kinder als Soldat*innen rekrutieren und auch für Entführungen und sexuelle Gewalt gegen Kinder verantwortlich sind. Obwohl diese Militärkoalition und ihre Verbündeten also für alle sechs schweren Kinderrechtsverletzungen in bewaffneten Konflikten verantwortlich sind und dies eindeutig und massiv das verbindliche Menschenrechtskriterium des Gemeinsamen Standpunktes verletzt, hat dies nicht zu einem deutschen Stopp von Rüstungsexporten an die Mitglieder dieser Militärkoalition geführt – im Gegenteil, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören zu den größten Empfängern. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es ist, alle diese schweren Kinderrechtsverletzungen im neuen Rüstungsexportgesetz ausdrücklich aufzuführen und mit dem Menschenrechtskriterium verbindlich zu verankern – und diese Regelungen dann einzuhalten und entsprechende Rüstungsexporte dringend zu stoppen.

Ebenso sollte auch ein hohes Ausmaß von Polizeigewalt im Empfängerland im REKG als Ausschlusskriterium definiert und ausdrücklich genannt werden. Eine Studie von terre des hommes und dem brasilianischen Instituto Sou da Paz weist mit zahlreichen Fallbeispielen und Daten nach, dass deutsche Waffen, darunter Pistolen, Sturmgewehre und Hubschrauber, in hohem Maße bei brutaler Polizeigewalt in Brasilien eingesetzt werden, der jedes Jahr hunderte von Kindern und Jugendlichen zum Opfer fallen. Eine Strafverfolgung findet dazu praktisch nicht statt. Die Zahl der Opfer von Polizeigewalt ist in den letzten Jahren in Brasilien immer weiter gestiegen und in 2020 wurde der Rekordwert von über 6400 Opfern erreicht (fast dreimal so viel wie 2013), der vermutlich auch höchste Wert weltweit. Dennoch gehörte Brasilien in den letzten Jahren zu den größten Empfängern deutscher Rüstungsgüter. Die brasilianische Militärpolizei und Spezialeinheiten wie die BOPE, die für einen Großteil der Fälle verantwortlich sind, sind in hohem Maße mit deutschen Schusswaffen von Heckler & Koch, SIG Sauer und anderen deutschen Herstellern ausgerüstet.

Ein zentraler Punkt, der in den Eckpunkten bisher fehlt, ist auch, dass Deutschland künftig die Definition von Kleinen und Leichten Waffen der Vereinten Nationen (oder eine weitergehende Definition) verwendet, wozu es nach Artikel 5.3 des Waffenhandelsvertrags ATT verpflichtet ist. Es benutzt aber bisher die deutlich enger gefasste EU-Definition und verstößt damit gegen den Waffenhandelsvertrag, wodurch viele Kleinwaffenarten, darunter Pistolen, Handgranaten und verschiedene Gewehrtypen, nicht erfasst werden und die Rüstungsexportkontrollen unterlaufen können - dies betrifft den Großteil deutscher Kleinwaffenexporte, je nach Jahr zwischen Zweidrittel bis Vierfünftel aller von Deutschland exportierten Kleinwaffen, wie die Studie „Kleinwaffen in Kleinen Händen“ von Brot für die Welt und terre des hommes nachweist. Ein erheblicher Teil dieser nicht erfassten Kleinwaffen landet in bewaffneten Konfliktgebieten, viele werden für schwere Menschenrechts- und Kinderrechtsverletzungen benutzt. Gleiches gilt entsprechend für deutsche Exporte von Munition für diese nicht erfassten Kleinwaffentypen.

Ganz zentral wird sein, dass die Einhaltung des REKG und seiner Regelungen überprüfbar sind und kontrolliert werden können. Dafür sind stark verbesserte Transparenz und Berichterstattung und rechtliche Klagemöglichkeiten essentiell. Im REKG sollte deswegen unbedingt ein Verbandsklagerecht verankert werden ebenso wie die Verpflichtung, dass jede Exportentscheidung, insbesondere die, bei denen Kriterien des REKG nicht eingehalten werden, ausführlich und öffentlich schriftlich begründet werden muss. Die bisher in den Eckpunkten genannten Ansätze sind dafür völlig unzureichend.

Die Anwendung des Rüstungsexportkontrollgesetzes muss selbstverständlich für alle deutschen Rüstungsexporte gelten, auch für europäische Rüstungskooperationen, bei denen entsprechend Deutschland weiter ein Veto-Recht haben muss für Exporte, die gegen nationale Gesetze und den Gemeinsamen Standpunkt der EU verstoßen würden – alles andere würde einer Nichteinhaltung bei solchen Kooperationen Tür und Tor öffnen und die rechtsverbindlichen Regelungen und Gesetze auf EU- und nationaler Ebene aushebeln.
Osnabrück, November 2022

Weitere Informationen:

Entwurf »Erarbeitung eines Rüstungsexportkontrollgesetzes« des Bundesminsteriums für Wirtschaft und Klimaschutz
 

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