Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Im dritten Workshop »Signale, die gehört werden wollen – Wie erkenne ich psychische Traumata?«, geleitet von Kerstin Hartung, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, wurden zunächst die drei Hauptsymptome »Wieder erleben, Vermeiden, Übererregung« eines Traumas definiert. Zentrale Schwerpunkte einer Therapie umfassen folgende Punkte: Reale und gefühlte Sicherheit stärken, das Selbstwert stabilisieren, Stärkung der Impulskontrolle, gute Körpererfahrungen, Ausgleichen von Entwicklungsdefiziten, und schließlich die Trauma-Konfrontation. Gefordert wurde ein sicherer und möglichst langer Aufenthaltsstatus für Flüchtlingskinder mit Traumatisierungen. Auch die Übernahme der Therapiekosten müssten verbindlich geklärt werden.  

Der vierte Workshop von Saadet Ismayil (Psychologin) beschäftigte sich mit dem Thema »Ankommen in Deutschland – Sicherer Ort oder Re-Traumatisierung? Aufnahmesituation und ihre Wirkung auf minderjährige Flüchtlinge«. Diskutiert wurde eine verstärkte Professionalität und die Absicherung der Ressourcen in der Arbeit mit minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland. Gefordert wurde eine bessere Einbeziehung und Beteiligung der Betroffenen an den Entscheidungsprozessen. Das Kindeswohl müsste während des ganzen Verfahrens im Vordergrund stehen.  

Im fünften Workshop »Wie kann ich mich für Flüchtlingskinder engagieren? Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements«, geleitet von Dr. Hans-Georg Hofmeister, wurden eine bessere Finanzierung und ein struktureller Rahmen für die ehrenamtliche Arbeit eingefordert. Diskutiert wurden die Möglichkeiten für eine bessere Vernetzung der Arbeit. Notwendig sei ferner eine professionelle Unterstützung (Supervisionen) der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Klar sei aber auch, dass ehrenamtliche Arbeit staatliche Verantwortung nicht ersetzen könne.

»Endlich in Sicherheit!?

Traumatisierte Flüchtlingskinder in Deutschland und weltweit«
Ergebnisse der Fachtagung vom 18.06. – 19.06.2015 in Hannover

Vom 18.06 bis 19.6.2015 veranstalteten terre des hommes und die »Gemeinschaftsstiftung terre des hommes« in Hannover die Fachtagung »Endlich in Sicherheit!? – Traumatisierte Flüchtlingskinder in Deutschland und weltweit«.

Insgesamt 115 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus mehr als 40 Flüchtlingsinitiativen nahmen an der Fachtagung der Gemeinschaftsstiftung terre des hommes teil. Vertreten waren Experten und Helfer aus ehrenamtlichen Flüchtlings- und Integrationsinitiativen, Psychologen, Sozialarbeiter, Ärzte, Therapeuten und Lehrer. Die Tagung wurde am Donnerstag mit dem Stück »Asyl –Dialoge« der Bühne für Menschenrechte eröffnet. Die Vorträge am Freitag begannen mit einem Vortrag der Traumatherapeutin Dima Zito.

Flucht, Vertreibung und Trauma

In ihrem Beitrag »Flucht, Vertreibung und Trauma« führte Zito in den Themenkomplex Trauma und in die Problematik von Flüchtlingskindern ein. Viele minderjährige Flüchtlinge haben Gewalterfahrungen in ihren Herkunftsländern und in den Transitländern erlebt.

Potentielle Traumata entstehen zum Beispiel durch dramatische Kriegserlebnisse sowie die Erfahrung politischer und religiöser Verfolgungen. Sie können aber auch durch geschlechtsspezifische Gewalt und andauernde Marginalisierung resultieren. Häufig besteht das Risiko einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) durch eine generationsübergreifende Weitergabe traumatischer Erfahrungen in die Nachkriegsgesellschaften. Als Beispiel wurde der Kriegs- und Nachkriegsprozess im Kosovo genannt.

Auf der Flucht nach Deutschland sind Flüchtlingskinder zusätzlich mit Situationen konfrontiert, die ebenfalls zu Traumatisierungen führen könne: Inhaftierungen und Gewalterfahrungen in Flucht- und Transitländern (Bulgarien, Ungarn, Griechenland, Libyen, Marokko). Auch Überfälle oder Angstsituationen während der Flucht können die Situation verstärken. Häufig müssen Kinder den Tod von Eltern und Angehörigen erleben, was das Risiko einer PTBS erhöhen.

Zusätzliche Belastungen entstehen während der Flucht durch die  zeitweise oder dauerhafte Trennung der Kinder und Jugendliche von ihren Eltern. In Deutschland angekommen, belasten (plötzliche) Abschiebungen, Razzien, schlechte räumliche und hygienische Bedingungen sowie Einsamkeit, Schuldgefühle und die Ungewissheit über die Zukunft die minderjährigen Flüchtlinge. Die lange Aufenthaltsdauer in den Aufnahmezentren und der befristete Aufenthaltsstatus können zusätzlich zu einer  relevant höheren Ausprägung psychiatrischer Symptome führen.

Dem Vortrag von Dima Zito folgte eine Podiumsdiskussion. Die Teilnehmerinnen der Runde: Cornelia Rundt, Niedersächsisches Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Dr. Gisela Penteker, Vorstandsmitglied des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e.V., Yaman Khishman, Mitglied bei Jugend ohne Grenzen; Saadet Ismayil, Psychologin im Psychosozialen Zentrum Sachsen-Anhalt. Die Teilnehmer betonten, dass die Asylpolitik Deutschlands und der Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland eine stärkere humanitäre Ausrichtung brauche.

Die Workshops

Am Nachmittag wurde die Veranstaltung mit fünf Workshops fortgesetzt:

  • Workshop 1: Bedeutung von Krieg und Flucht für Kinder
  • Workshop 2: Transgenerationale Weitergabe kriegsbedingter Traumatisierungen – Flüchtlingskinder und die Traumata ihrer Eltern
  • Workshop 3: Signale, die gehört werden wollen – Wie erkenne ich psychische Traumata?
  • Workshop 4: Ankommen in Deutschland – Sicherer Ort oder Re-Traumatisierung? Aufnahmesituation und ihre Wirkung auf minderjährige Flüchtlinge
  • Workshop 5: Wie kann ich mich für Flüchtlingskinder engagieren? Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements

Der erste Workshop »Bedeutung von Krieg und Flucht für Kinder« wurde von Dipl.-Sozialpädagogin Dima Zito und Dipl.-Psychologe Ernest Martin geleitet. Ergebnis des Workshops: Verbesserung der Integrationsmöglichkeiten für Flüchtlingskinder. Dazu zählen Deutschkurse, Freizeitaktivitäten und Bildungsangebote. Sie können den traumatisierten Kindern Sicherheit und Perspektiven geben. Mehr Sensibilität gegenüber Flüchtlingskindern wird von Behörden und anderen Einrichtungen erwartet. 

Der zweite Workshop mit dem Thema »Transgenerationale Weitergabe kriegsbedingter Traumatisierungen«, geleitet von Frauke Baller (Psychotherapeutin), forderte mehr Personal in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Außerdem wurde die Notwendigkeit von Fortbildungen zum Thema transgenerationale Belastungen für betroffene Berufsgruppen in den Einrichtungen und für Lehrerinnen und Lehrer gefordert. Neben einer verbesserten finanziellen Ausstattung der Einrichtungen und eine stärkere Vernetzung innerhalb der Kommunen wurden schnellere Klärungsprozesse  bei strittigen Unterbringungsfragen gefordert.

Im dritten Workshop »Signale, die gehört werden wollen – Wie erkenne ich psychische Traumata?«, geleitet von Kerstin Hartung, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, wurden zunächst die drei Hauptsymptome »Wieder erleben, Vermeiden, Übererregung« eines Traumas definiert. Zentrale Schwerpunkte einer Therapie umfassen folgende Punkte: Reale und gefühlte Sicherheit stärken, das Selbstwert stabilisieren, Stärkung der Impulskontrolle, gute Körpererfahrungen, Ausgleichen von Entwicklungsdefiziten, und schließlich die Trauma-Konfrontation. Gefordert wurde ein sicherer und möglichst langer Aufenthaltsstatus für Flüchtlingskinder mit Traumatisierungen. Auch die Übernahme der Therapiekosten müssten verbindlich geklärt werden.  

Der vierte Workshop von Saadet Ismayil (Psychologin) beschäftigte sich mit dem Thema »Ankommen in Deutschland – Sicherer Ort oder Re-Traumatisierung? Aufnahmesituation und ihre Wirkung auf minderjährige Flüchtlinge«. Diskutiert wurde eine verstärkte Professionalität und die Absicherung der Ressourcen in der Arbeit mit minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland. Gefordert wurde eine bessere Einbeziehung und Beteiligung der Betroffenen an den Entscheidungsprozessen. Das Kindeswohl müsste während des ganzen Verfahrens im Vordergrund stehen. 

Im fünften Workshop »Wie kann ich mich für Flüchtlingskinder engagieren? Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements«, geleitet von Dr. Hans-Georg Hofmeister, wurden eine bessere Finanzierung und ein struktureller Rahmen für die ehrenamtliche Arbeit eingefordert. Diskutiert wurden die Möglichkeiten für eine bessere Vernetzung der Arbeit. Notwendig sei ferner eine professionelle Unterstützung (Supervisionen) der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Klar sei aber auch, dass ehrenamtliche Arbeit staatliche Verantwortung nicht ersetzen könne.

Abschlussdiskussion und Forderungen

  • Mit dem ehrenamtlichen Engagement wird versucht, die großen Versorgungslücken bei der Flüchtlingsbetreuung in Deutschland zu schließen. Ehrenamtliche Arbeit kann staatliche Verantwortung aber nicht ersetzen (s. Workshop 5)
  • Unterstützung und Entlastung der Ehrenamtlichen
  • Mehr Wissensvermittlung und Vernetzung zwischen den Haupt- und Ehrenamtlichen
  • Stadtverwaltungen und Kommunen sollten Tagungen speziell für Ehrenamtliche organisieren 
  • Es fehlt an einer ausreichenden Finanzierung für  therapeutische Maßnahmen
  • Trotz gültiger Krankenkarte werden die Kosten für Traumatherapien nicht immer von den Kassen übernommen. Notwendige Dolmetscherdienste werden ebenfalls von den Kassen nicht übernommen
  • Die Genehmigung des Sozialamtes für die Übernahme der Therapiekosten (bevor eine Krankenversicherung zuständig wird) dauert teilweise Monate
  • Die Ausbildung von Therapeuten und Therapeutinnen muss sich verstärkt dem Problem der kriegs- und fluchtbedingten psychischen Störungen öffnen. Bisher wissen Absolventen solcher Ausbildungsgänge zu wenig über das Problem traumatisierter Störungen. Häufig bestehen auch Berührungsängste, sich mit diesem Thema zu befassen
  • Bei Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern gibt es ein Informationsdefizit hinsichtlich der Frage, welche Rechte Flüchtlingskinder haben (zum Beispiel UN-Kinderrechtskonvention). Hier wäre eine Unterstützung durch den Flüchtlingsrat Niedersachsen und das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen sinnvoll.
  • Die zuständigen Berufsverbände sollten die Thematik in ihre Fortbildungen aufnehmen
  • Für Lehrende sollte es ein umfangreiches Fortbildungsangebot zum Problemfeld Trauma geben
  • Trotz steigender Flüchtlingszahlen in den Unterkünften versucht die Politik die Arbeit von Flüchtlingsinitiativen zu reglementieren. Das führt bei den Helfern immer wieder zu Frustrationen.
  • Notwendig ist eine stärkere Kohärenz zwischen Bundesländern in der Arbeit mit (minderjährigen) Flüchtlingen.
  • Der Wunsch nach weiteren Veranstaltung zum Thema »Traumatisierung von Flüchtlingskindern« (insbesondere in Sachsen-Anhalt) wurde deutlich betont.

Stiftungsfonds Traumahilfe

Traumahilfe ist der Förderschwerpunkt der Gemeinschaftsstiftung terre des hommes. Im Jahr 2010 wurde der Stiftungsfonds »Hilfe für traumatisierte Kinder« aufgelegt. Er beläuft sich derzeit auf 1,37 Millionen Euro. Aus den Erträgen erhielten bisher 4.700 Kinder und Jugendliche und deren Familien in zehn Projekten psychosoziale Begleitung und Traumatherapie. Darüber hinaus wurde die Ausbildung von mehreren hundert Therapeuten und Sozialfachkräften finanziert und in den Projektregionen über Traumahilfen informiert.

Die Fachtagung in Hannover Endlich in Sicherheit!? – Traumatisierte Flüchtlingskinder in Deutschland und weltweit hat erneut gezeigt, dass der Bedarf an Traumatherapie im Inland und im Ausland durch die derzeit zunehmende Zahl an Flüchtlingen weiter steigt. Um die dringend notwendigen Behandlungen finanzieren zu können, soll der Stiftungsfonds weiter wachsen, damit für viele Generationen von Kindern psychosoziale Betreuung und Therapieangebote gesichert sind.

Wie Sie durch eine Spende helfen oder in den Fonds zustiften können, erfahren Sie bei
Karin Lammers
Telefon: 05 41 / 71 01-193
E-Mail k.lammers@remove-this.tdh.de
www.tdh-stiftung.de