Das Wasser eint uns
Heute besuchen wir zuerst das Museum der Erinnerung über die Zeit des Leuchtenden Pfads. Zwischen 1983 und 1992 bekriegten sich die maoistische Gruppe und das Militär, der Bürgerkrieg kostete mehr als 10.000 Menschen das Leben. Ein Schwerpunkt war die Region um Ayacucho. Das Dorf Chuschi geriet zwischen die Fronten und wurde aufgerieben.
Als die Frauen der Organisation ABA 1991/92 ihre Arbeit in Chuschi aufnahmen, fanden sie ein verwüstetes und entvölkertes Land vor, die wenige Bewohner waren hochgradig traumatisiert.
Wie schon geschrieben, ist Peru ein Land mit ausreichenden Regenfällen. Nur dass sie sich auf eine Regenzeit beschränken und das Hochland in der Trockenzeit praktisch völlig austrocknet. Wasserspeicherung und -versickerung sind deshalb die wichtigsten Elemente für eine nachhaltige Landwirtschaft.
Dies hat ABA erreicht, indem sie zusammen mit den Dorfgemeinschaften die natürlichen Lagunen im Hochland, die normalerweise im Frühsommer trocken fallen, mit zusätzlichen, rund 30 cm kleinen Dämmen ausgerüstet haben Sie sorgen für eine durchgehende Wasserspeicherung. Und hier setzt jetzt das alte Wissen ein: Puttaqua-Pflanzen, von den Indios auch »Mutter des Wassers« genannt, ziehen mit ihren tiefgehenden Wurzeln das Wasser an die Oberfläche. Eingefasst von einer Steinreihe bilden sich zu ihren Füßen Tümpel mit sauberem Grundwasser, das genutzt werden kann. Ein ausgeklügeltes System von Lagunen und Puttaqua-Pflanzen sorgt für eine ausreichende Bewässerung des Landes. Es entsteht sogar ein Wasser-Überschuss, der über einen Kanal für die Wasserversorgung von der Stadt Ayacucho genutzt wird.
Die Nutzung des alten Wissens verlangt auch Respekt vor den alten Göttern. Um diesen ein Opfer darzubringen, treffen wir uns mit den Dorfbewohnern an einer der Lagunen. Unsere Führer haben am Ufer schon ein buntes Tuch mit verschiedenen Opfergaben vorbereitet. Es gibt darauf bunte Blumen, verschiedene Früchte und Kokablätter. Wir müssen zunächst einen Krumen Erde essen, um uns als Fremde dem Land vertraut zu machen. Dann beginnt die Zeremonie.
Wir bekommen Kokablätter zum Kauen und jeder einen Schluck Schnaps, den wir mit Mutter Erde zu teilen haben. Dann ist jeder der Teilnehmer aufgerufen, ein eigenes Opfer und einen eigenen Wunsch an die Götter beizufügen. Was, spielt keine Rolle, es muss nur von Herzen kommen. Und so gesellen sich Zigaretten, Bonbons und sogar ein kleines Schmuckstück zu den Opfergaben auf dem Tuch. Unsere Mitreisende Gabi hat eine besonders gute Gabe vorbereitet: Ein Päckchen Aspirin umwickelt mit Kokablättern, um die verschiedenen Ansätze zur Heilung miteinander zu versöhnen.
Anschließend fahren wir zum Büro von ABA in Chuschi, wo uns eine der Jugendgruppe der Organisation erwartet. Sie hat hier etwa 30 Mitglieder. Ähnlich viele gibt es auch in den anderen rund 30 Gemeinden, die ABA betreut. Wir werden von Dario, dem Präsidenten der Gruppe herzlich begrüßt. Mit einem Wasserball-Globus brechen wir das Eis. Es fällt auf, wie schüchtern vor allem die Mädchen in der Gruppe sind. Sie schauen uns kaum an, halten sich im hinteren Teil des Raumes auf und kichern in einem fort. Umso mehr wissen wir zu schätzen, dass die erste Präsentation von der fünfzehnjährigen Daria gehalten wird. Sie erläutert uns, wie das Jahr in der Gemeinschaft abläuft, und welche Pflichten die Jugendlichen dabei übernommen haben. Die Jugendlichen erzählen von ihren weiteren Plänen: Bäume pflanzen, Terrassen anlegen, mit Lagunen und Putaquas mehr »Wasser ernten«.
Zum Schluss bleibt (leider zu wenig) Raum für Spaß und Spiel. Frank Garbers, unser Begleiter von terre des hommes aus Osnabrück, muss Fahrrad fahren (leider nicht dokumentarisch festgehalten), und: wir tauschen Hüte.