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Eine Kita im Frauengefängnis

Um kurz nach sechs macht sich Maria* auf den Weg zu ihrer kleinen Ackerparzelle. Ihren einjährigen Sohn hat sie in einem bunten Tuch auf den Rücken gebunden. Breitbeinig vornübergebeugt beginnt die 26-Jährige zwischen Möhren, Spinat, Zwiebeln und Bohnen Unkraut zu jäten. Frauenalltag in Mosambik, könnte man auf den ersten Blick denken - wären da nicht die hohen Mauern, der Stacheldraht, die Wachtürme und die bewaffneten Aufseher. Maria ist wegen Drogenschmuggels im Frauengefängnis Ndlavela inhaftiert. Frauen, die wie sie hier eine langjährige Haftstrafe absitzen müssen, bekommen ein kleines Feld zugewiesen, auf dem sie Gemüse anbauen dürfen.

Maria wurde zu zwölf Jahren verurteilt, nachdem sie am Flughafen von Maputo festgenommen worden war. Damals befanden sich in ihrem Bauch nicht nur dutzende Kokainkugeln, sondern auch ein Embryo. Das stellten die Ärzte im Krankenhaus fest, als sie die Drogen aus ihrem Körper holten. Es sei ein Schock gewesen, erinnert sich die junge Mutter. »Hätte ich von der Schwangerschaft gewusst, wäre ich nie ein solches Risiko eingegangen und hätte mich und mein Baby nicht in Lebensgefahr gebracht.« Ihr Freund habe sie zu der Straftat gedrängt. Seitdem hat sie nie wieder von dem Vater ihres Sohnes gehört. Damals habe sie nicht gewusst, wie es weitergehen solle. Doch als sie erfuhr, dass sie mit ihrem Schicksal nicht allein ist und Mütter wie sie im Gefängnis besondere Unterstützung bekommen, schöpfte sie wieder Kraft und Hoffnung. »Sogar einen Kindergarten gibt es hier!«

Recht auf Spielen

Vor ein paar Jahren war dieser Kindergarten nicht mehr als ein kahler Raum, in dem die Kinder zwar beaufsichtigt aber nicht beschäftigt wurden. Das Kalkül von Gefängnisdirektorin Judith Florencio war eher pragmatischer Natur: »Die Mütter sollen arbeiten können, ohne von ihren Kindern abgelenkt zu werden.« In Ndlavela müssen die Gefangenen selbst putzen und kochen; sie halten den Hof und die Zellen sauber, bereiten Mahlzeiten zu und bauen dafür auch das Gemüse an. Kinder wären dabei nur fehl am Platz. Diese Situation war der mosambikanischen Nichtregierungsorganisation »Wona Sanana«, die sich insbesondere für die frühkindliche Förderung engagiert, ein Dorn im Auge. »Auch in dieser kinderfeindlichen Umgebung haben diese Kinder wie alle anderen ein Recht darauf, zu spielen und zu lernen«, betont Direktor Flávio Liberato Fernandes.

Mit Unterstützung von terre des hommes hat Wona Sanana ein entsprechendes Projekt auf die Beine gestellt. Ziel war es, die Kinder zu stärken und zu fördern. Dazu musste nicht nur der Raum kinderfreundlich gestaltet, Spielsachen sowie Lernmaterialien angeschafft werden, sondern vor allem auch die Betreuerinnen besser ausgebildet werden. Vor Beginn des Projekts hätten sie nur aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz als Mütter geschöpft, erzählt Fernandes. »Bei unseren Workshops lernten sie, wie Kinder in ihrer kognitiven, körperlichen und Sprach-Entwicklung gefördert werden können.« Der Tag in der Kita ist strukturierter und abwechslungsreicher; gemeinsame Mahlzeiten und Gymnastik stehen ebenso auf dem Stundenplan wie Singen und Lernspiele.

Frühkindliche Förderung

»Frühkindliche Förderung wie diese ist in Mosambik insgesamt noch Mangelware«, betont Fernandes. Nur etwa fünf Prozent der Kinder zwischen drei und fünf Jahren profitierten von entsprechenden Angeboten. Die Regierung sei zwar bemüht diese Lücke zu füllen, bislang konzentrierten sich die staatlichen Leistungen aber auf Schulen. Kleinkinder würden traditionell von ihren Müttern, Verwandten oder Nachbarinnen betreut, die keine entsprechende Ausbildung hätten. Es sei also kein Wunder, dass sich die Nachricht von der Kita bald auch jenseits der Gefängnismauern herumgesprochen habe, fügt er lächelnd hinzu.

Als Maria ihren Sohn in die Kita bringt, öffnet sich hinter dem Zaun das große Metalltor. Der Wärter lässt eine Gruppe Kinder hinein, die das Gefängnisgelände überqueren, als sei dieser Weg zum Kindergarten das Normalste der Welt. Mit ihren kleinen Rucksäcken auf dem Rücken gehen sie zielstrebig zu dem Gebäude und begrüßen ihre kleinen Freundinnen und Freunde. Ideal wäre natürlich eine Kita außerhalb der Gefängnismauern, beton Dalila Dáia, terre des hommes-Projektkoordinatorin für Mosambik. Aber das sei logistisch zu kompliziert gewesen. »Die Mütter können das Gelände ja schlecht verlassen, um ihre Kinder zur Kita zu bringen.«

Mütter schöpfen Hoffnung

Für Maria ist es von unschätzbarem Wert, dass ihr Sohn wenigstens in der Kita eine kindgerechte Umgebung vorfindet. Was das bedeutet, lernte sie gemeinsam mit anderen Frauen in einem Workshop von »Wona Sanana«. Gesunde Ernährung und Körperhygiene standen ebenso auf dem Programm wie einfache Methoden zur frühkindlichen Förderung. »Wir basteln jetzt Spielzeug für unsere Kinder, gehen bewusster mit ihnen um als früher und können jetzt auch eher erkennen, wenn es ihnen nicht gut geht.« Das Verhältnis der Mütter zu ihren Kindern habe sich grundlegend verändert, sagt Maria mit einem strahlenden Lächeln.

Ehemals unter- oder mangelernährte Kinder seien gesünder als zuvor, bilanziert Dalila Dáia die Erfolge des Projekts. Sie wären mehr an der frischen Luft und entwickelten sich durch die Förderung altersgerechter. Aber nicht nur die Kinder profitieren: »Unter den Müttern hat die Solidarität zugenommen.« Sie seien nicht mehr länger Einzelkämpferinnen, sondern würden auch mal gegenseitig auf ihre Kinder aufpassen. Zuvor sei das undenkbar gewesen, bestätigt Maria. Aber durch das Training weiß sie, dass ihr Sohn auch bei anderen Müttern gut aufgehoben ist. Das sei jedoch nicht alles: »Ich habe endlich wieder eine Zukunftsperspektive.« Maria träumt davon, selbst eine Kita zu gründen, sobald sie nach der Hälfte ihrer langen Haftstrafe auf Bewährung raus kommt. So wären die langen Jahre im Gefängnis wenigstens nicht vollkommen verloren gewesen.

Leonie March, freie Journalistin (Südafrika)
(gekürzter Auszug aus: Mosambik-Rundbrief, Juli 2015)

*Der Name wurde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert.

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