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Die Saat des Spiels

Eine Spiel-Bibliothek öffnet Kindern neue Türen

Auf dem Papier gibt es in Brasilien Gesetze, mit denen Kinder vor Gewalt und Missbrauch geschützt werden sollen. Doch die Realität ist eine andere: Millionen brasilianischer Kinder sind arm, und durch Armut werden ihnen ihre Lebenschancen genommen.

Dazu kommt, dass viele Kinder oft in einem gewalttätigen Umfeld aufwachsen. In den Elendsvierteln der brasilianischen Metropole São Paulo möchte a chance to play durch Spiel- und Sportangebote eine Kultur der Gewaltlosigkeit und des Friedens fördern und so Kindern zeigen, wie sie Konflikte friedlich lösen können.

Kindern wie Nicolas. Der Sechsjährige lebt in einem Armenviertel von São Paulo. Nach langem Suchen hat seine Mutter für ihn einen Platz an einer Schule gefunden. Doch die Qualität der Schulbildung ist miserabel. Die Schulzeiten sind sehr kurz, die Klassenzimmer überfüllt, und die Lehrer kennen die Schüler oft nicht beim Namen. Laufend beschwerten sich die Lehrer über Nicolas: Er passe sich nicht an, könne sich kaum konzentrieren, sei sehr rebellisch und überhaupt hyperaktiv. Dann lernte Nicolas die Spiel-Bibliothek der International Play Association IPA kennen, die zum »A chance to play«-Programm gehört. »Zuerst wollte er immer nur elektronische Spiele«, erzählt Mariana Carvalho, die Leiterin des Projektes. »Wir begannen, ihm andere Dinge zu zeigen, er lernte kreative Formen des Spielens kennen. Am Anfang zögerte Nicolas, doch dann tauchte er ein in die Welt des Spiels.«

Beim Spielen erfahren Kinder die Welt. Sie lernen sich selbst kennen und bauen an sozialen Beziehungen. Sie spüren, dass sie aktiv an der Veränderung ihres Alltags mitarbeiten können, dass sie fähig sind, kreativ Neues zu erfinden. Daher soll das Thema auch politisch verankert werden. »Es war von Anfang an immer unser Ziel, ein breites Netzwerk verschiedener Organisationen dafür zu mobilisieren, dass gerade benachteiligte Kinder Spielen und Sport treiben können «, so die Psychologin Mariana Carvalho. »Mit A chance to play haben wir einen riesigen Schritt gemacht. Das Recht auf Spiel ist jetzt ein Thema in Brasilien. Nun werden wir sozialpolitische Maßnahmen einfordern, mit denen dieses Kinderrecht auch umgesetzt wird.«

Letztens bastelte Nicolas in der Spiel-Bibliothek eine Pappfigur aus Altpapier. Er hatte riesige Freude an seinem farbigen Ungeheuer und nahm es mit in die Schule. Auch die Lehrerin lobte sein Werk, und Nicolas fragte sie, ob sie nicht auch in der Schule solche interessanten Dinge machen könnten. Um das zu unterstützen, verwandelt sich die Spiel-Bibliothek an den Abenden und am Wochenende in eine Spielschule, wo Lehrer öffentlicher Schulen und Mitarbeiter anderer sozialer Organisationen sich als »Play Worker« weiterbilden können. Das Spiel wird ernst genommen, die Methode verbreitet sich in den Vierteln von São Paulo.

Mariana kennt viele Geschichten wie die von Nicolas. Jede ist ein kleines Stück Leben, erzählt von Beziehungen, die in Bewegung kommen, von neuen Türen, die sich öffnen. »Natürlich haben Kinder wie Nicolas eine Unmenge Energie. Sie brauchen nur Möglichkeiten, sie auszuleben. Im Alltag sind sie gezwungenermaßen passiv, denn in der Enge der Favela gibt es keinen Platz, um zu spielen; in der Schule haben die Lehrer Angst, die Kontrolle über die Schüler zu verlieren. Doch Kinder möchten einfach Kind sein, spielen, rennen, entdecken, Neues erfinden«, erzählt Mariana. In ihren Augen ist der Funke der Hoffnung sichtbar. Sie weiß, dass die Saat des Spiels, einmal gesät, im Leben von Kindern Blumen und Früchte trägt.

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