Noch immer Krieg im Norden des Landes - Teil 2
Dass die Armee die Luftattacken inzwischen zugegeben hat, düpierte die eigene Regierung. Präsident Thein Sein soll das Militär angewiesen haben, die Angriffe einzustellen und hat im Januar ein Ende der Offensive verkündet. Doch das Militär hat sich nicht drum gekümmert, auch nicht um die diplomatischen Noten, die aus den USA, der EU und von den Vereinten Nationen nach Rangun geschickt wurden. Sogar China sah sich zu Protesten gegen die Bombardements gezwungen, weil einzelne der Geschosse der burmesischen Luftwaffe ihre Ziele verfehlt hatten und jenseits der chinesischen Grenze eingeschlagen waren.
Doch die burmesische Armee rückt weiterhin auf Laiza vor, die bedeutendste Kachin-Stadt nahe der Grenze zu China, wo sich die Zentrale der KIO befindet. Menschenrechtler prangern Gewalt gegen die die Zivilbevölkerung an – Morde, Folter, Vergewaltigungen und andere Übergriffe durch das Militär. Seit Beginn der Gefechte haben mehr als 100.000 Menschen im Kachin-Staat ihre Häuser und Felder verlassen müssen. Sie sind auf der Flucht, innerhalb des Landes und außerhalb, etwa in Thailand. Sie haben kein Zuhause mehr, sie sind wirtschaftlich ruiniert. »Es gab nicht einen Luftangriff in 20 Jahren, aber nun benutzen die Streitkräfte der Regierung Kampfflugzeuge und Helikopter, um Angriffe in der Nähe von Zivilisten zu fliegen«, sagte die Generalsekretärin der Women’s League of Burma, Tin Tin Nyo. »Die Situation ist schlimmer denn je. Wir bitten die internationale Gemeinschaft, alles zu unternehmen, damit Thein Seins Regierung die Kämpfe stoppt – und auch, etwas für die Flüchtlinge zu tun.«
Partnerorganisationen von terre des hommes unterstützen die Menschen, die zwischen die Fronten geraten sind und Hilfe brauchen. Insbesondere für die Kinder, die krank, verletzt oder unterernährt sind, organisieren sie medizinische Hilfe und eine ärztliche Erstversorgung. Kinder, die mit ihren Familien über längere Zeiträume in Lagern leben, erhalten Unterricht, damit sie den Anschluss an die Schule nicht ganz verlieren und später die Chance haben, dort wieder einzusteigen. Ein großes Problem für die Binnenvertriebenen ist, dass die Regierung in Rangun die humanitäre Hilfe für Menschen in den von den Rebellen kontrollierten Gebieten beschränkt hat. Die Vereinten Nationen haben Burma zwar gedrängt, ihnen die dringend benötigte Unterstützung der Zivilisten in den KIA-Arealen zu gestatten. Allerdings ohne Erfolg. Nach Angaben der Kachin-Hilfsorganisation RANIR (Relief Action Network for IDPs and Refugees, Hilfsnetzwerk für Binnenvertriebene und Flüchtlinge) leidet bereits ein Drittel der Kinder, die mit ihren Familien in die Lager bei Laiza flüchten mussten, unter Mangelernährung. Eine weitere Vertreterin der Women’s League, Mono Nay Li, beklagte, dass internationale Geberorganisationen offiziell nicht registrierte lokale Gruppierungen – Mono Nay Li sprach von »CBOs«, Community based Organizations – nicht unterstützen wollten. Doch oft hätten nur diese Gruppen Zugang zu den Binnenflüchtlingen, sie seien die Einzigen vor Ort. »Kinder hungern, Menschen sterben. Wir kennen Fälle von verstorbenen Müttern, die bei ausreichender Ernährung und medizinischer Hilfe hätten überleben können.«
Präsident Thein Sein hat sich nach seiner Amtsübernahme 2011 die Aussöhnung der verschiedenen Volksgruppen in Burma zum Ziel gesetzt. Inzwischen sind viele Angehörige der Minderheiten aber bitter enttäuscht. Ihre Anrechte auf mehr Autonomie würden nicht verwirklicht, die Regierung rede zwar von Öffnung, praktiziere sie aber nicht. Auch auf die einst gefeierte Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi sind viele Angehörige der Minderheiten nicht mehr gut zu sprechen, denn sie schweige weitgehend zu ihren Problemen.
terre des hommes und seine Partnerorganisationen in Burma fordern daher die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Vor allem gehe es um rasche Hilfe für die Menschen, die direkt von den Militärattacken betroffen seien, und dazu sei eine Zusammenarbeit mit den kleinen lokalen Organisationen vor Ort unabdingbar. Zum zweiten müsse ein internationales Waffenembargo über den Staat verhängt werden, damit Burma nicht weiterhin Kampfgerät einkaufen und gegen die Zivilbevölkerung einsetzen kann. Weiterhin müssten alle Schritte unternommen werden, um Präsident Thein Seins Regierung zur Beilegung der Militäraktionen zu zwingen und sie außerdem dafür in die Verantwortung zu nehmen, dass die burmesische Armee alle Menschenrechtsverletzungen beendet. Wie schon in einer UN-Resolution von Dezember 2012 gefordert, müsse das Regime in Rangun dazu gebracht werden, Maßnahmen gegen die Straffreiheit der Offiziere zu ergreifen und die Verantwortlichen zu benennen. Und schließlich: Eine Untersuchungskommission unter Führung der UN solle die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Kriegsverbrechen untersuchen, die im Kachin-Staat und auch anderswo in Burma immer noch an der Tagesordnung seien. An den traurigen Nachrichten, die derzeit aus Burma kommen, ändert das jedoch nichts mehr.