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Beim Flüchtlingsgipfel muss das Kindeswohl an erster Stelle stehen

terre des hommes fordert von den Teilnehmenden des Flüchtlingsgipfels der Bundesregierung neben kurzfristigen Maßnahmen für eine kindeswohlorientierte Aufnahme, ein langfristiges Umdenken bei der Aufnahme von Geflüchteten sowie den Abbau rechtlicher und bürokratischer Hemmnisse.

„Geflüchtete Kinder und Jugendliche sind in erster Linie Minderjährige. Ihre Bedürfnisse müssen daher bei der Aufnahme an erster Stelle stehen. Sie brauchen Unterkünfte mit ausreichend Privatsphäre, einem Mindestmaß an Kindesschutz und Möglichkeiten, ihr Recht auf Bildung, gesellschaftliche Teilhabe und Freizeit wahrzunehmen“, erklärt Sophia Eckert, Migrationsexpertin von terre des hommes. „Wir verstehen, dass die Lage in den Kommunen derzeit angespannt ist. Turnhallen sind aus kinderrechtlicher Sicht jedoch keine Lösung. Stattdessen sollten jetzt alle Möglichkeiten genutzt werden, damit schutzsuchende Familien, die Angehörige und Bekannte in Deutschland haben, auch privat unterkommen können.  Kinder und Familien dürfen nicht länger in überfüllten Aufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften wohnen, obwohl ihnen privater Wohnraum angeboten wird.“

Die Länder haben dazu ein einfaches Mittel an der Hand. Gemäß § 49 Abs. 2 AsylG können sie unter bestimmten Umständen Asylsuchende aus der Verpflichtung entlassen, in den ersten sechs bis achtzehn Monaten in einer Sammelunterkunft, der sogenannten Erstaufnahmeeinrichtung, zu leben. Ein solcher Umstand ist die drohende Überlastung der Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen.

Ein solches Absehen von der Verpflichtung zum Leben in einer Sammelunterkunft könnte das öffentliche Aufnahmesystem entlasten und zur schnelleren gesellschaftlichen Teilhabe geflüchteter Familien beitragen. Eine derartig flexible Aufnahmesituation hat sich bei der Aufnahme von Ukrainer*innen bereits bewährt und sollte nun auf alle Schutzsuchenden ausgeweitet werden. Es darf nicht länger Geflüchtete erste und zweiter Klasse geben. Berlin hat bereits eine flächendeckende Anwendung von § 49 Abs. 2 AsylG angekündigt. Wir erwarten, dass weitere Bundesländer folgen.

Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass sowohl privat aufgenommene Asylsuchende als auch aufnehmende Personen Unterstützung und Beratung an die Hand bekommen, um gemeinsam diese Aufgabe zu bewältigen. Auch das zeigt sich aus der Erfahrung der Aufnahmen von ukrainischen Geflüchteten.

Geflüchtete Kinder sind Leidtragende des Strukturabbaus

„Die derzeitige Überlastungssituation ist nicht nur die Folge hoher Zugangszahlen, sondern auch ein Resultat des massiven Strukturabbaus in den letzten Jahren. Darunter leiden nun tausende geflüchtete Kinder und Jugendliche.“, erklärt Sophia Eckert, „Es braucht endlich Konzepte zum Vorhalten von Kapazitäten, die der Dynamik von Migrationsbewegungen gerecht werden, statt immer wieder erneut in hektischem Aktionismus zu verfallen.“

Ein Umdenken in der Aufnahmepolitik von Geflüchteten ist unabdingbar. Vorhandene Aufnahmestrukturen dürfen nicht vorschnell abgebaut werden, wenn akut keine Vollbelegung herrscht. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass geflüchtete Menschen möglichst schnell auf eigenen Füßen stehen und aus den Aufnahmeunterkünften in private Wohnungen ziehen können.

Der Zwang, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu leben, und die Einschränkung von Rechten und soziale Isolation, die damit einhergeht, sollte daher endlich gesetzlich aufgehoben, zumindest stark reduziert werden. Menschen so schnell wie möglich dezentral in privaten Wohnraum zu bringen sollte immer Vorrang vor einer Massenunterbringung haben. Dies gäbe Menschen auch das nötige Maß an Selbstbestimmung zurück. Auch bei der Verteilung sollte nicht länger an starren Kapazitätsquoten festgehalten, sondern sich eher an sozialen Netzwerken, Bedarfen und Wünschen der Betroffenen orientiert werden, um geflüchteten Menschen die Ankunft und den Neustart in Deutschland ab Tag eins zu erleichtern.

Je schneller die Voraussetzungen für Teilhabe und Inklusion von Geflüchteten gewährleistet werden, desto flexibler können die Strukturen der staatlichen Erstaufnahme genutzt werden. Das gilt auch für einen unverzüglichen Arbeitsmarktzugang und die Erleichterung der Aufenthaltssicherung bei Aufnahme einer Ausbildung.

16.2.23

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