Asylpaket II:
Protest gegen Verschärfung der Asylgesetzes
terre des hommes hat Bundestagsabgeordnete und die Mitglieder der zuständigen Bundestagsausschüsse aufgefordert, dem Asylpaket II nicht zuzustimmen und für unbegleitete Kinder den Nachzug von Eltern zu ermöglichen.
In einer weiteren Erklärung mit den 50 Initiativen im Forum Menschenrechte protestiert terre des hommes gegen das Asylpaket II, da es nicht geeignet ist, die kurzfristigen Probleme bei der Erstaufnahme und Durchführung der Asylverfahren zu lösen. Mit der Neuregelung werden menschenrechtliche Standards in Frage gestellt.
In einer gemeinsamen Resolution an Bundestagsabgeordnet und die Mitglieder der zuständigen Bundestagsausschüsse fordern terre des hommes und der »Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge« (BumF) die Volksvertreter auf, einer Änderung des Rechts auf Familienzusammenführung bei minderjährigen Flüchtlingskindern nicht zuzustimmen.
Nur wenige Kinder haben das Recht
Zurzeit leben in Deutschland insgesamt lediglich 716 Personen aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes. In dieser Zahl enthalten sind auch die 442 Familienangehörigen, die im Jahr 2015 zu ihren minderjährigen Kindern nach Deutschland gezogen sind. Obwohl in der öffentlichen Debatte der Eindruck erweckt wird, eine große Zahl von minderjährigen Flüchtlingskindern würde auf den Nachzug der Eltern warten, sehen die Zahlen anders aus.
Nur wenige betroffene Kinder erhalten überhaupt in Deutschland den sogenannten subsidiären Schutz, der erst den Nachzug der Angehörigen zulässt. Im Jahre 2014 waren es 214 Mädchen und Jungen, im Jahr 2015 bis zur Jahresmitte 105 Minderjährige. Die Aussetzung des Familiennachzugs für unbegleitete Minderjährige hat auf die angestrebte Verringerung der Flüchtlingszahlen daher keine relevanten Auswirkungen.
Nach Auffassung des Bundesfachverbandes und von terre des hommes erfüllen ohnehin nur wenige minderjährige unbegleitete Flüchtlingskinder die gültigen rechtlichen Voraussetzungen für einen Familiennachzug. Hinzu kommt, dass sich die Wartezeit bis zur Familienzusammenführung über mehrere Jahre hinziehen kann: Zunächst müssen ein Vormund gefunden und ein Asylantrag gestellt werden. Erst nachdem ein Aufenthaltsstatus zuerkannt wurde, können die leiblichen Eltern versuchen, ein Visum bei der deutschen Botschaft zu erlangen. In diesen Fällen wird die Zeitspanne von zwei Jahren in der Regel weit überschritten. terre des hommes und der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlingskinder fordern die Abgeordneten deshalb auf, sich für das Kindeswohl und gegen das Asylpaket II zu entscheiden.
Asylpaket II verstößt gegen Menschenrechte
Das Asylpaket III verstößt nach Auffassung zahlreicher Organisationen, die in der Flüchtlingsarbeit engagiert sind, gegen die Menschenrechte. In der gemeinsamen Erklärung des Forum Menschenrechte, die auch von terre des hommes unterzeichnet wurde, wird dazu angeführt: Bei der Ausgestaltung des Verfahrens in den neuen »besonderen Aufnahmeeinrichtungen« sei vollkommen unklar, wie eine effektive Verfahrens- oder Rechtsberatung organisiert werden soll.
Verstöße gegen die Residenzpflicht sollen hart und auch mit Rückführung in das Heimatland bestraft werden. Das Forum Menschenrechte befürchtet, dass diese Sanktionspraxis zu einem starken Anstieg von unverhältnismäßigen und zweifelhaften Rückführungen beitragen wird.
Die Unterzeichner befürchten ferner, dass die Einschränkung des Familiennachzugs bei minderjährigen Flüchtlingskindern noch mehr Eltern auf die lebensgefährliche Fluchtrouten treiben wird. Die geplante Wartefristfrist von zwei Jahren verstößt gegen Artikel 6 des Grundgesetzes, der den Schutz der Familie vorsieht. Bereits im Jahre 1987 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem anderen Fall entschieden, dass sich die Frist am Schutz und Förderungsgebot des Grundgesetzes orientieren müsse. Im konkreten Falle hatte das Bundesverfassungsgericht eine Frist von drei Jahren – die die Verfahren in der Praxis häufig dauern - für unangemessen erklärt. Dem Schutz- und Förderungsgebot des Grundgesetzes wird schon deshalb nicht entsprochen, weil die Betroffenen sich während der Wartezeit gar nicht besuchen können. Die im Asylpaket II vorgesehene Frist widerspricht auch den Artikeln 3, 4, 9 und 22 der Kinderrechtskonvention. Eine Familienzusammenführung trägt nach Auffassung des Forum Menschenrechte zum Gelingen von Integration wesentlich bei.
Abschiebung trotz Trauma?
Von einer drohenden Abschiebung kann laut Gesetz nur abgesehen werden, wenn schwerwiegende Erkrankungen bei den Betroffenen vorliegen. Ausnahmen sind dennoch möglich, wenn eine medikamentöse Behandlung im Heimatland möglich ist. Viele unbegleitete Flüchtlingskinder leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Aus medizinischer Sicht ist die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung aber rein medikamentös gar nicht möglich. Minderjährige Flüchtlingskinder sind aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen besonders von psychischen Störungen betroffen. Ein sicheres Umfeld und er Schutz der Familie sind deshalb wichtige Faktoren zur Stabilisierung von Flüchtlingskindern.
Weitere Informationen:
- Appell von terre des hommes und des Bundesverband unbegleitete Flüchtlingskinder zum Asylpaket II im Wortlaut (Download)
- Erklärung des Forums Menschenrechte zum Asylpaket II im Wortlaut (Download)