Achim bei Bremen: Kleidung für die Ärmsten
Der terre des hommes-Markt ist seit 25 Jahren eine Institution. Hier können sich Flüchtlinge, Gastarbeiter, Neuankömmlinge und andere Bedürftige mit Kleidung und Hausrat ausstatten.
Mohammed S. trägt seinen kleinen Sohn Hamsu auf dem Arm. Seine Frau Gadir sucht mittlerweile die Kleiderständer nach Hosen ab. Die junge Familie lebt erst wenige Monate in einer provisorischen Flüchtlingsunterkunft. »Wir sind heute früh aufgestanden, um rechtzeitig hier zu sein«, erzählt der junge Vater, der in seiner syrischen Heimat Ingenieurswissenschaften und Informatik studiert hat und gut Englisch spricht. Heidi Franz, Freiwillige von terre des hommes, hat eben noch die Hosen am Kleiderständer einsortiert, als sie die neuen Besucher erblickt. »Sind Sie zum ersten Mal hier?«, fragt sie mit einem offenen Lächeln und erklärt, dass Gadir sich beim ersten Besuch mitnehmen könne, was sie braucht.
Für Hilfsangebote wie dieses nehmen sich die Ehrenamtlichen der terre des hommes-Gruppe Achim trotz des großen Andrangs noch immer Zeit. Im terre des hommes-Markt können sich nicht nur die rund 800 Flüchtlinge, die in der Gemeinde untergebracht sind, mit Hosen, Schuhen, Stramplern, Spielsachen oder Töpfen ausstatten, sondern auch alle anderen Hilfsbedürftigen.
Die Stadt Achim hat die Gruppe bei der Suche nach einer Immobilie unterstützt und übernimmt nun einen Teil der Mietkosten. Denn terre des hommes hat nach dem starken Zuzug von Flüchtlingen im Sommer 2015 die Versorgung der geflüchteten Menschen mit Kleidung übernommen. Die 20 Frauen erledigen diese Arbeit ehrenamtlich.
Jeden Mittwoch und Samstag öffnet der terre des hommes-Markt seine Türen. Doch der größte Teil der Arbeit wartet nach den Öffnungszeiten auf die Ehrenamtlichen: Dann werden Spenden abgeholt, sortiert und eingeräumt. »Wir nehmen auch Bestellungen entgegen«, erzählt Heidi Franz schmunzelnd. »Wenn das Gewünschte gegen Ende der Öffnungszeiten vergriffen ist, schreiben wir es auf eine Liste und schauen nach, ob wir es noch hinten im Lager haben.« Die Spendenbereitschaft der Achimer sei noch immer überwältigend. Und wenn etwas Außergewöhnliches gebraucht wird, wie Schuhe in Übergrößen oder Kinderwagen, wird die Anfrage in die WhatsApp-Gruppe der Flüchtlingshelfer geleitet. Momentan ist die Nachfrage nach Koffern riesig. »Die Leute haben in ihren Unterkünften keinen Schrank für ihre Habseligkeiten. Deshalb verstauen sie sie in einem Koffer, den sie unter ihrem Bett aufbewahren«, berichtet Heidi Franz.
Der aus Syrien geflüchtete Tarek Agha, der seit gut einem Jahr in Achim lebt, hilft der Gruppe in jeder freien Minute. Er übernimmt Besorgungsfahrten, holt Spenden ab, und packt im Lager mit an. »Die Arbeit bringt sehr viel Spaß«, sagt der 35-Jährige auf Deutsch. »Mir wurde so viel geholfen, deshalb möchte ich jetzt etwas zurückgeben.« Unverzichtbar für die terre des hommes-Frauen sind Tareks Sprachkenntnisse: Er springt immer ein, wenn zwischen Arabisch, Deutsch und Englisch übersetzt werden muss.
Für die Frauen der terre des hommes Gruppe ist es nur folgerichtig, dass sich eine Organisation, die sich als humanitär versteht, für die Integration der Flüchtlinge hierzulande engagiert. »Es geht nicht nur um die Kinder in Afrika, Asien oder im Nahen Osten. Geholfen werden muss auch den Kindern und Familien, die jetzt hier angekommen sind«, sagt Heidi Franz.
Michaela Ludwig