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Schiffe versenken hilft nicht

Ein Kommentar von Barbara Küppers, erschienen in der Mittelbayerischen Zeitung am 21. Mai 2015

In Hunderten Städten und Gemeinden engagieren sich Bürgerinnen und Bürger für Flüchtlinge. Es ist eine regelrechte Bewegung entstanden. Menschen kümmern sich, spenden Kleidung und Gebrauchsgegenstände, viele terre des hommes-Ehrenamtliche organisieren Freizeitaktivitäten für Kinder, helfen beim Deutschlernen, assistieren bei Behördengängen, werben in der Nachbarschaft um Vertrauen oder übernehmen Vormundschaften für allein eingereiste Kinder. Denn das Zusammenleben von Ortsansässigen und Flüchtlingen ist kein Idyll, es gibt Konflikte, Fremdes, Verstörendes. Nicht zuletzt, weil viele Flüchtlinge Schreckliches erlitten haben. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Kriegsgebieten oder Diktaturen, viele sind noch minderjährig.

Wer Flüchtlingen hilft, kann großartige Menschen kennenlernen – Menschen, wie Ahmed, der aus Afghanistan vor Krieg und Gewalt floh, weil er nicht von den Taliban rekrutiert werden wollte. Oder Anaan, die allein mit zwei kleinen Kindern aus Eritrea floh, nachdem ihr Mann als Oppositioneller in den Gefängnissen der Diktatur starb. Friede und Meinungsfreiheit – sind das nicht die Werte, für die unsere Gesellschaft steht?

Europäer bekommen zurzeit von ihren Regierungen sehr widersprüchliche Signale: Denn Menschen wie Ahmed und Anaan haben zwar Anspruch auf Asyl, doch lässt man sie erst gar nicht herein. Wer in der EU um Asyl bittet, ist auf Schlepper angewiesen und muss sich auf einen lebensgefährlichen Weg machen. Die EU schottet sich seit Jahren ab und folgt dieser Logik weiter – damit legt sie selbst die Grundlage für das Geschäftsmodell der Schlepper: Denn wo die Grenzbefestigung immer besser wird, da steigen die Preise und damit die Profite der Schlepper. Und die Risiken für die Flüchtlinge. Die italienische Regierung schätzt, dass bis September 2015 allein auf Sizilien wöchentlich rund 5.000 Flüchtlinge anlanden werden.

Die EU gehört zu den größten Geldgebern für die humanitäre Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. Hilfe, die in den Nachbarstaaten Jordanien oder dem Libanon willkommen ist, denn dort leben jeweils über eine Million Kriegsflüchtlinge. Wie überall auf der Welt suchen die weitaus meisten Menschen Schutz in den Nachbarländern. Der Anteil von Flüchtlingen an der Gesamtbevölkerung des Libanons liegt bei 28 Prozent, in der EU liegt er bei 0,05 Prozent. Sind wir wirklich überlastet mit Flüchtlingen?

Warum also überdenkt die EU nicht ihre Abschottungspolitik? Warum sucht sie sogar nach einem UN-Mandat für die Zerstörung von Booten in libyschen Hoheitsgewässern nach? Ist eine solche Strategie humaner, als sichere Zugänge zu schaffen für solche Flüchtlinge, die in Europa Asyl bekommen würden? Dazu könnte die EU zum Beispiel die Botschaften in den Nachbarländern von Kriegsgebieten so ausstatten, dass Flüchtlinge ein Einreisevisum bekommen. Die Menschen könnten dann auf sicherem und legalem Weg in Europa um Asyl nachsuchen.

Europa kann und muss – gemessen an seiner Wirtschaftskraft – mehr Menschen aufnehmen. Angesichts der Not der Menschen in Kriegs- und Krisengebieten verstehen bereits heute viele EU-Bürger, was das Gebot der Stunde ist. Sie engagieren sich und packen an. Zum Glück sind sie weiter als die Regierungen der EU-Länder.

21.5.15

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